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D I E G E S C H I C H T E D E R P O S T H A L T E R E I B E G I N N T Doch scheint die Einigung immerhin soweit gediehen, dass die Alte Posthalterei nun verkauft werden konnte. Ab 1764 nämlich befindet sich das Haus im Besitz der Eheleute Determeyer, dann ab 1781 der Eheleute Altemüller. 1804 kaufte es Sophia Maria Zimmermann, eine geborene Narjes. 1817 lässt sich hier erstmals der Postmeister August Theodor Cramm nachweisen. Damit beginnt die eigentliche Geschichte der Posthalterei. Doch bereits 1856 wurde das Postamt in den nördlichen Flügel des Bahnhofsgebäudes verlegt und das Haus an den Buchhändler Wilhelm Jüngst verkauft. 1865 erwarb schließlich die Witwe Johanna Wilhelmina Kobert geb. Gerling das Haus. Sie richtete hier einen Handarbeitsladen ein, der bis in die 1970er Jahre Bestand hatte. Dann wurde es 1978 an die Stadt Lingen verkauft. Seit 1980 befindet sich hier die Restauration „Alte Posthalterei“.
Nochmal zurück an den Anfang. Vor 1727 verliert sich die Spur zwar nicht, aber sie wird doch etwas unsicherer. Doch dürfte das Grundstück der Alten Posthalterei identisch sein mit dem des sogenannten Hauses Roskamp. Besitzerin war die 1667 erstmals erwähnte Witwe Anna Roskamp, eine geborene Ronde. 1683 verkaufte ihr Sohn Plechelm Niters in ihrem Auftrag das Roskampsche Haus an den Hausvogt Berendt Rottmann. Beschrieben wurde die Lage des Hauses als gegenüber dem Rathaus gelegen und zwischen der Kirchstraße und dem Haus des Herman Hemsen (Hermsen), der damals in der Großen Straße 3 wohnte. Der Kaufpreis betrug 380 Reichstaler. Der Hausvogt Rottmann behielt das Haus nicht lange. Nur ein Jahr später kaufte es der Papiermacher Jan Borgerinck. Als dieser 1693 starb, erbte sein gleichnamiger ältester Sohn das Haus. Die sechs anderen Söhne und Töchter des Papiermachers wurden mit Schmuck – einem goldenen Ring und einem silbernen Agnus Dei – sowie je 10 bis 15 Reichstalern abgefunden. Auch Jan Borgerinck jun. scheint das Haus bald wieder verkauft zu haben. Spätestens 1695 erscheint Christoph Bernhard Ham, seines Zeichens kurfürstlich Braunschweig-Lüneburger Rat zu Osnabrück, als Besitzer eines feudalen Hauses, bei dem es sich um die Alte Posthalterei gehandelt haben dürfte. Bewohnt wurde es seinerzeit von einer Witwe Metting – vielleicht Anna Margareta Metting, der Mutter von Christina Elisabeth Pontanus und Witwe des 1685 verstorbenen Jan Danckelmann. Christoph Bernhard Ham schloss am 1. Juni 1695 mit Albert Pontanus einen sechsjährigen Pachtvertrag über dieses Haus mitsamt Hof und Scheune. Fortan war es das Wohnhaus von Albert Pontanus und seiner Frau. Am 20. Mai 1696 wurde der Pachtvertrag dahingehend ergänzt, als dass Albert Pontanus nun ein Vorkaufsrecht auf das Haus eingeräumt wurde. Am 22. November 1697 schließlich bekräftigte Albert Pontanus sein Interesse, das Haus zu kaufen, und auch Christoff Bernhard Hamm war einem Verkauf nicht abgeneigt und verpflichtete sich, das Haus für die nächsten zehn Jahre an keinen anderen zu verkaufen.
In den nächsten Jahren erfolgte wohl der Verkauf des Hauses, und vielleicht ließe sich vermuten, dass das alte Gebäude nun abgerissen und eben jenes Haus gebaut wurde, das heute noch steht und das sich architektonisch an das 1685 von Alberts Bruder Heinrich Pontanus in Auftrag gegebene Professorenhaus orientierte. Die architektonischen Ähnlichkeiten beider Gebäude einerseits und die Verwandtschaft der beiden Brüder andererseits wären jedenfalls ein merkwürdiger Zufall. Doch ein solcher Neubau ist nicht mehr als nur eine Spekulation, und auch andere Szenarien wären vorstellbar. Endgültige Klarheit über das Alter der Alten Posthalterei kann wohl nur eine dendrochronologische Untersuchung des Gebäudes erbringen.
Abb. 1: Die Alte Posthalterei, um 1970 (Stadtarchiv Lingen, Fotosammlung, Nr. 703)
Abb. 2: Die Alte Posthalterei, um 1910 (Stadtarchiv Lingen, Fotosammlung, Nr. 4799)
Quellen und Literatur:
Stadtarchiv Lingen, Altes Archiv, Nr. 784, 817, 822a, 1569, 1997, 1998, 2005, 3125, 3139, 5500, 5791, 6180, 6181, 6182, 6184.Stadtarchiv Lingen, Amtshandlungsbücher Lingen, Bd. 1 und Bd. 2. Stadtarchiv Lingen, Karten und Pläne, Nr. 299 („Gier-Plan“). Stadtarchiv Lingen, Sammlung Häuserbuch. Bolte, Friedrich: Aus der Geschichte der Post im Emsland. Teil 1, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 20 (1973), S. 157-169. Bolte, Friedrich: Die Post in Lingen [Teil 3], in: Postgeschichtliche Blätter „Weser-Ems“, Bd. 3, Heft 6, 15 (1969), S. 140-147. Bolte, Friedrich: Die Post in Lingen [Teil 4], in: Postgeschichtliche Blätter „Weser-Ems“, Bd. 3, Heft 7, 16 (1970), S. 155-158. Eiynck, Andreas: Markt 20. Ein Haus erzählt Geschichte(n). Von altem Fachwerk, Lingener Bürgern und Theo Lingen, Lingen (Ems) 2005, S. 30ff. Kohstall, Aloys: Das Postwesen im Kreise Lingen in früheren Zeiten, in: Emsländisches Jahrbuch 12 (1965), S. 178-185. Köster, Baldur: Lingen. Architektur im Wandel von der Festung zur Bürger- und Universitätsstadt bis zur Industriestadt (bis 1930), Berlin 1988. Schiel, Regine: ‚Ein beschmutzes Messer wird nicht zurückgenommen’. Handarbeitsvorlagen der Biedermeierzeit von C. Kobert Witwe in Lingen, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 57 (2011), S. 113-128. Warnecke, Hans Jürgen: Die Familie Danckelmann, in: Ehbrecht, Wilfried: Lingen 975-1975. Zur Genese eines Stadtprofils, Lingen (Ems) 1975, S. 115-144.
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