Archivalie des Monats November

von Dr. Stephan Schwenke

Die Tradition der Stadt Lingen als Garnisonsstadt reicht weiter zurück als bis ins 20. Jahrhundert. Bereits im Mittelalter und der Frühen Neuzeit war die Festung durch eine ständige Besatzung belegt. 1815 fällt Lingen nach dem Wiener Kongress an Hannover. Die Hannoveraner haben versucht, die Region durch Straßen- und Brückenbau wirtschaftlich zu stärken. Im Rahmen dieser Strukturverbesserungsmaßnahmen wurde Lingen auch zur Garnisonsstadt erhoben. Zu diesem Zweck baute man 1833/34 weit vor der Stadt, an der Chaussee nach Osnabrück (heute: Kaiserstraße), eine Kaserne und belegte diese mit einem Infanterie-Bataillon. Bereits 1838 wurde diese Einheit wieder abgezogen, als Grund wurde eine Augenepidemie angegeben, die unter den Soldaten grassieren sollte. Die Kaserne wurde danach nur zeitweise genutzt, hauptsächlich bei den Frühjahrsmanövern oder als kurzfristiger Standort für das Königliche Husaren Regiment. Für die Königliche Militärverwaltung in Hannover stellte sich die Frage nach der weiteren Nutzung der Gebäude. Die erneute Belegung mit Militär war nicht geplant. Man bot der Stadt Lingen stattdessen an, die Kaserne entweder für 25000 Taler zu erwerben oder für eine auf 10 Jahre befristeten Zeitraum für 875 Taler jährlich zu pachten und eine Strafanstalt einzurichten.

 

Aus ehemaliger Kaserne wird eine Strafanstalt

Nach Prüfung des Vorschlages stimmte der Magistrat dem Vorschlag zu. Als aber das Vorhaben der Einrichtung einer Strafanstalt in der Stadt bekannt wurde, regte sich Widerstand seitens der Bürgerschaft. In einer Petition an den Magistrat wies man auf die wirtschaftliche Bedeutung der Kaserne für die Stadt hin und bat darum, sich dafür einzusetzen, dass die Kaserne weiterhin mit Militär belegt werden würde. Hierfür waren vordergründig wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend, wurde doch der finanzielle Verlust für die Lingener Geschäftsleute, der durch den Abzug der Garnison entstand, auf 36.000 Taler beziffert. Es gäbe sicherlich auch noch andere Städte oder Orte, „welche eine solche Strafanstalt in ihrem Interesse wünschen.“ Die Resonanz in der Bevölkerung war groß, die Bittschrift wurde von 175 Personen unterschrieben. Trotz des Protestes aus der Bevölkerung hielt der Magistrat an seinem Beschluss fest und lehnte den Antrag der Beschwerdeführer ab.

1854 wurde mit den Umbaumaßnahmen der Kaserne zu einer Strafanstalt für weibliche Gefangene und zu einem Arbeitshaus für Männer begonnen. Die Gesamtumbaumaßnahmen an der Kaiserstraße dehnten sich bis 1891. Der Komplex wurde in den Folgejahren noch erweitert und 1981 saniert.

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