Im Lager „Lager falscher Hoffnung“

Am Gedenktag der Befreiung des Überganglagers Westerbork vor 63 Jahren besuchten über 40 Personen auf Einladung des Heimatvereins Lingen das dortige Erinnerungszentrum. Die Gedenkstätte liegt nicht einmal 100 km von Lingen entfernt. Von 1940 bis 1945 war es das Übergangslager für 107 000 überwiegend jüdische Personen aus den Niederlanden und in die Niederlande geflohene deutsche Juden. Der ehemalige Leiter des Erinnerungszentrums Jan de Graaf begleitete die Lingener Gruppe auf ihrem Gang über das ehemalige Lagergelände. Auf einem Areal von 25 ha waren mehr als 15 000 Menschen zusammengepfercht, die in 800 qm großen Baracken zu je 800 Personen leben mussten. Jan de Graaf zog jeden Zuhörer sofort in seinen Bann: „Westerbork war human und teuflisch“. Er machte auf dem Lagergelände diese grausame Geschichte anschaulich.

Lager der falschen Hoffnung

Gleich zu Beginn seiner Ausführungen betonte de Graaf, dass dieses Lager ein Lager der falschen Hoffnung gewesen sei. „Es ist nicht so schlimm hier.“ Das war aber nur eine Selbstberuhigung der Lagerinsassen, weil dieses Lager überwiegend von Juden selbst verwaltet wurde, es „Vergnügungsabende“, Sport und sogar eine Schule gab. Auch ein Krankenhaus stand den Bewohnern zur Verfügung. So wurde z.B. dort ein jüdisches Mädchen, das die Mutter während eines Antretens beim Appell mit einem Gewicht von nur etwas mehr als 1 Pfund geboren hatte, gepflegt und geheilt. Als es aber 6 Pfund wog, wurde es, seiner Mutter einige Woche später folgend, in ein KZ zur Tötung gefahren.

Von Westerbork in die Vernichtungslager

Seit der berüchtigten Wannseekonferenz unter der Leitung von SS-Obergruppenführer Heydrich im Januar1942 fuhr an jedem Dienstag ein Zug von Westerbork in die Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor, insgesamt 93 mal. Jeder Lagerinsasse kannte wohl den Namen Auschwitz, denn die Züge trugen das Schild Westerbork – Auschwitz. Allerdings wussten die Frauen, Männer und Kinder in Westerbork nicht, was dort später mit ihnen geschah.

Mahnung zur Achtung der Menschenrechte

Jan de Graaf verstand es bei seiner Führung, die Erinnerung an die Ermordeten 107 000 Einzelschicksale wach zu halten, gleichzeitig aber die Mahnung an unsere Generation auszusprechen, dafür Sorge zu tragen, dass Menscherechte eingehalten werden. Der Heimatverein Lingen plant, nach der Besichtigung des Lagers Esterwegen im vorigen Jahr und der beeindruckenden Fahrt nach Westerbork zukünftig ähnliche Exkursionen anzubieten.

Bild 1: Für jeden der über 100 000 ermordeten Juden, Sinti und Roma oder Widerstandskämpfer ist auf dem ehemaligen Lagergelände ein Gedächtnisstein angebracht.

Bild 2: Jan de Graaf – ein kundiger und mahnender Begleiter auf dem Rundgang.

Text und Fotos: Benno Vocks, Lingen 2008

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