Nelly Heilmann berichtet

Unser Wissen über die Geschichte der aus Russland zugewanderten Spätaussiedler ist gering, stellte der Sprecher des Arbeitskreises der Lingener Familienforscher Joachim Schulz anlässlich Vortragsveranstaltung im Saal Timmer fest. Mit dem familiengeschichtlichen Vortrag „Lebenswege“ möchte man einen Beitrag leisten, diese Wissenslücke zu verkleinern und sich gegenseitig besser zu verstehen.

Der Arbeitskreis Lingener Familienforscher unter Leitung von Dr. Ludwig Remling und Joachim Schulz hatte das Thema „Familiengeschichte einer Spätaussiedlerfamilie“ in den Fokus genommen. Die mittlerweile schon traditionelle Vortragsveranstaltung wurde mit Unterstützung des Heimatvereins Lingen organisiert. Besonderer Dank galt daher der 1. Vorsitzenden des Heimatvereins Lingen, Johanna Rickling. Als Referentin hatten die Organisatoren Nelly Heilmann aus Thuine eingeladen. Die Musiklehrerin Nelly Heilmann kam 1989 als Spätaussiedlerin zusammen mit ihrem Ehemann und den beiden Söhnen nach Deutschland und lebt heute voll integriert in Thuine.

Vortragsveranstaltung bei Timmer

Foto: Über den Vortrag der Spätaussiedlerin Nelly Heimann aus Thuine (2. v r. ) freuten sich die beiden Organisatoren Arbeitskreissprecher Joachim Schulz (1.v.l.) Stadtarchivar a.D. Dr. Ludwig Remling (4. v.l.) und die 1. Vorsitzende des Heimatvereins Lingen Johanna Rickling (2..v.l.)

Geschichte ihrer Vorfahren

Nelly Heilmann schilderte sehr persönlich und engagiert die Geschichte der verschlungenen Lebenswege der Vorfahren der Familien Heilmann und Weiß, die im 18. Jahrhundert dem Aufruf der Zarin Katharina der Großen nach Russland in die Gegend am Schwarzen Meer folgten. Heilmann beschrieb die wirtschaftlichen und kulturellen Schwierigkeiten mit denen die deutschen Kolonisten zu kämpfen hatten. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erlitten die Familien unter Stalin die Enteignung und schwere Repressionen. Menschen verschwanden und wurden massenhaft ermordet.

Auf ewig verbannt und interniert

Während des Zweiten Weltkrieges erfolgte die vollständige Zwangsumsiedlung der deutschen Kolonisten, die unter der deutschen Besatzung waren, in den Warthegau/Polen bzw. nach Deutschland. Nach 1945 erfolgte die Zwangsrepatrierung (Zurückführung) der Rußlanddeutschen durch die Sowjetregierung nach Sibirien bis hinter den Ural. In bewegenden Worten beschrieb die Referentin die unmenschlichen Bedingungen während des Transports in Viehwaggons. Viele Menschen, insbesondere Kinder und alte Menschen überlebten den Transport nicht. Auf ewig verbannt aus ihren angestammten ukrainischen Gebieten wurden die Rußlanddeutschen in Zwangsarbeitslagern interniert und mussten für eine Ration Brot Schwerstarbeit verrichten.

Erst 1955 verbesserte sich die Situation

Nach dem Besuch Bundeskanzlers Adenauer 1955 in der Sowjetunion verbesserte sich die Situation der Rußlanddeutschen. Mit Hilfe des DRK wurden Familien zusammen geführt und durften die Deportationsgebiete verlassen. Sie siedelten nach Usbekistan um, wo die Männer in Kriegsgefangenenlagern waren. Erst Ende der 80er Jahre konnten die Familien Heilmann-Weiß nach Überwindung vieler Verwaltungshemmnisse in ihre Heimat nach Deutschland auswandern. „Bei uns wurde immer der Gedanke gepflegt, dass Deutschland unsere Heimat ist“, sagte sie und erzählte, dass sich die Familie Heilmann vollständig integriert und eine eigene Existenz aufgebaut hat.

Auswanderungen in das Schwarzmeergebiet

Eine bewegende Diskussion über die schweren Schicksalswege der Rußlanddeutschen schloss sich an. Diskussionsleiter Dr. Ludwig Remling erläuterte die Auswanderungsströme von Deutschen in das Schwarzmeer und Wolgagebiet im 18. und 19. Jahrhundert. Die Veranstaltung schloss Dr. Remling mit dem Hinweis auf die sehenswerte Dauerausstellung „Lebenswege“ in der Alten Molkerei in Freren.

Quelle: nach pm, Lingener Tagespost vom 28.12.2012

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