Burg der Stadt Tecklenburg

Die Entstehung der Burg

von Ulrich Wiethaup, Lingen

Heute noch thront die Burgruine auf der höchsten Erhebung der Stadt Tecklenburg, ein lebendiges Relikt, da hier die weithin beliebte Freilichtbühne untergebracht ist. In der Karolingerzeit soll es einen Grafen Cobbo gegeben haben, der als Stammvater gehandelt wird, aber dafür gibt es keine beweisbaren Belege. Cobbo wird einzig in der Chronik des Klosters Herzebrock erwähnt: „… in der Tyt do levede noch Cobbo, de Grave van Teckeneborch … Cobbo, Grave van Teckeneborch, ys de erste Grave gewesen na der Tyt, dat Karolus Magnus dyt Land Westfalen bekert hevet …“ Es wird noch ein Todesdatum angegeben, 30. April 884.[1]

Wahrscheinlich war zu der Zeit die Grafenwürde noch nicht erblich. Auch dafür gibt es keine Belege. Hunsche erwähnt auch noch einen Grafen Heinrich von Tecklenburg aus einer Mainzer Urkunde von 1059, aber auch hier fehlen die verwandtschaftlichen Verhältnisse. Die Burg wurde vermutlich in der Zeit verstärkten Burgenbaus zwischen 1050 und 1125 als weithin sichtbare Höhenburg an einer Passstraße über den Teutoburger Wald gebaut.[2]

Als Bauherr wird der Graf von Zutphen (Zütphen) vermutet, der zu der Zeit Landesherr war. Die Zütphener Gottschalk und sein Sohn Otto sollen durch Kampfhandlungen für den Erzbischofs Adalbert von Bremen ihren Machtbereich vergrößert haben. Seit 1092 war Otto, genannt der Reiche, nachweislich Machthaber im nordwestfälischen Raum mit Tecklenburg darin.[3]

[1] Hunsche, Friedrich Ernst, Rittersitze, adlige Häuser, Familien und Vasallen Band 1 S. 15

[2] christofspannhoff.wordpress.com/2020/02/14/ueberlegungen-zur-entstehung-der-burg-tecklenburg/comment-page-1/

[3] Hunsche Bd. 1, S. 18

Simon Graf von Tecklenburg Gründer von Malgarten

Mächtige Herrschaft von Münster über das Emsland bis Ostfriesland

Als später Graf Simon von Tecklenburg die Burg für 3300 Mark verkaufte, bekam er vom Verkaufspreis nur 2000 Mark und der Graf von Geldern 1300 Mark. Es liegt also nahe, dass die Burg bis dato gemeinsames Eigentum war und somit von ihrem Rechtsvorgänger und Erblasser ererbt worden war. Das spricht wiederum für den Grafen von Zutphen als Erbauer, nach Spannhoff müsste es Otto der Reiche († 1113) gewesen sein.[1]

Da Ottos einziger männliche Erbe, Heinrich, frühzeitig verstarb, wurde der Zütphener Besitz an Ottos drei Töchter verteilt. Zütphen ging an Ermengarde und ihren Mann, den Grafen von Geldern, wurde also Teil der Grafschaft Geldern. Judith, die zweite Erbberechtigte, war verheiratet mit dem Grafen Otto von Calvelage und Ravensberg (Calvelage Raum Vechta, Ravensberg Raum Bielefeld) und erbte u.a. Gebiete im Raum Meppen. Tecklenburg ging an Adelheid und ihren Mann Egbert (Ekbert) von Saarbrücken. Egbert wurde dadurch Graf von Tecklenburg (1139 erstmals schriftlich mit diesem Titel erwähnt), Inhaber der Vogtei[2] über Stadt und Bistum Osnabrück, Inhaber der Vogtei über Bistum und Stift[3] Münster. Er und seine Nachfahren werden als die Egbertiner (Egbertinger) bezeichnet. König Konrad III. soll Einfluss auf die Verheiratung seines entfernten Verwandten Egbert genommen haben, um einen Verbündeten im Sachsengebiet zu haben. Das ist jedoch ebenso wenig gesichert, wie die Antwort, warum Egbert den Titel „Graf von Tecklenburg“ annehmen durfte.

In den Urkunden, die bei Egberts Bruder, dem Bischof Adalbert II. von Mainz, verfasst wurde, steht für Tecklenburg „Tengenburc“. Diese fälschliche Bezeichnung, die sonst nirgends auftaucht, ist wohl entstanden, weil die Mainzer mit dem eigentlichen Namen nichts anfangen konnten. In einer Urkunde von 1184 ist von „Tikeneburgense castrum“ die Rede, später auch von Tikkeneburg. Tikkeneburg ist die Ziegenburg oder der Ziegenberg, denn Tikken waren im Altniederdeutschen kleine Ziegen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Tikkenberg, auf dem die Anlage errichtet wurde.[4]

Wegen des offenbar ungleich verteilten o.a. Erbes lagen die Tecklenburger an die hundert Jahre in Fehde mit den Ravensbergern. Dennoch zog Egbert 1141 mit seinem Schwager Otto gegen Egilmar II., den Grafen von Oldenburg. Die wohl von Egilmar provozierte Fehde endete mit der Verheiratung von Egberts Sohn Heinrich mit Eilike (Heilwig), der Tochter des Oldenburger Grafens. Als Heiratsgut brachte sie großen Landbesitz westlich von Oldenburg und das Saterland ein. Die Tecklenburger hatten nun von Münster über das Emsland mit Lingen bis Ostfriesland und weiter östlich bis Cloppenburg das Sagen. Um Tecklenburg wurden zur Sicherung von Zuwegen einige Adelshöfe als Vasallen zur Sicherung dieser Wege eingesetzt, wie z. B. die Anwesen Kieseling (auch Keselinc), von Horne (Haus Marck), Meeseburg, Kronenburg, Hülshoff.

Egbert verstarb 1150 im Alter von 60 Jahren.

Heinrich I., Egberts Sohn, wurde sein Nachfolger. Er verstarb 1156 mit nur 41 Jahren. Heinrich baute die Hausmacht beständig aus. 1154/55 zog er mit Kaiser Barbarossa im ersten Italienfeldzug.

Simon I., Heinrichs Sohn, war bis 1202 Graf von Tecklenburg. Er war am Ende 62 Jahre alt. Simon war zweimal verheiratet, mit Sophia von Schaumburg und mit Oda von Altena Isenberg. Aus der Ehe mit Oda stammen der Nachfolger Otto und Adolf, der spätere Bischof von Osnabrück.[5] In einer Urkunde verkündet Simon, Graf von Tecklenburg, dass ein Benediktinerinnen – Kloster gegründet werden soll.[6] Für dieses Kloster in Essen bei Cloppenburg übernahm Simon die Vogtei, ebenso für die Klöster Metelen und Malgarten bei Bramsche/Osnabrück. Simon verkaufte die Burg an den Erzbischof Philipp von Köln und nahm sie als Lehen zurück, wurde also Vasall des Erzbischofs. 1173 verliert Simon die Stiftsvogtei Münster, eine Quelle besagt, er hätte die Vogtei an den Bischof von Münster verkauft. Dafür bekam er 1182 die Stiftsvogtei Osnabrück. 1189 erwarb er die Herrschaft Ibbenbüren. Jahrelang war Simon auch eine treue Stütze der Staufer, kämpfte 1174 mit Kaiser Barbarossa gegen Heinrich den Löwen und nahm 1189 mit diesem am 3. Kreuzzug teil, in dem Barbarossa bekanntlich ums Leben kam. Simon überlebte als einer von wenigen. Sein letzter Kampf führte ihn 1202 im Zuge der oben angesprochenen Fehde, in der es um Gebiete nördlich der Hase ging, gegen die Ravensberger. Hier fand er den Tod.

 

Otto I. von Tecklenburg beerbte 17-jährig seinen Vater Simon. Da Simons Truppen die Ravensberger besiegt hatten, fielen viele bischöfliche Lehen und Rechte an Tecklenburg und Otto stand plötzlich mächtiger da als alle anderen Egbertinger. Als Otto dem Mörder des Kölner Erzbischofs Asyl gewährte, wurde er geächtet und vom Papst gebannt. Dadurch verlor er Ravensberg wieder und 1236 war auch die Vogtei über das Stift Osnabrück nach einer Fehde mit dem Bischof weg. Als Sühne ließ Otto 1240 das Zisterzienserinnenkloster Leeden errichten. Verschiedene andere Klöster, wie Bersenbrück, Malgarten, Marienfeld und St. Aegidius in Münster profitierten von Ottos Stiftertätigkeit gegenüber geistlichen Institutionen.[7] Die Gründung des Klosters Gravenhorst fällt ebenfalls in die Zeit Ottos, verantwortlich dafür war jedoch ein Tecklenburger Lehnsmann, Konrad von Brochterbeck.

Otto hatte einen Sohn, der als Heinrich III. von Tecklenburg seinen Vater beerben sollte. Heinrich heiratete 1244 Jutta von Ravensberg, die die Freigrafschaft Sögel, Besitzungen um Haselünne, Güter um Bersenbrück, sowie Vechta und Vlotho mit in die Ehe brachte. Schon 3 Jahre nach der Eheschließung starb Heinrich im Alter von nur 30 Jahren. Seine Frau erhielt ihr Erbe zurück, heiratete noch einmal und verkaufte ihren Besitz an den Bischof von Münster. Dadurch wurde die Grundlage für das Niederstift Münster gelegt, heute auch Oldenburger Münsterland genannt.

Ein nennenswertes Ereignis fand am 22. Mai 1246 auf dem Territorium der Grafschaft statt. In Ladbergen wurde der erste westfälische Städtebund zwischen Osnabrück, Münster, Herford und Minden geschlossen. Dieser Bund ist als einer der Vorläufer der Hanse zu betrachten.

Otto I. verstarb am 11. September 1263. Der letzte Egbertinger wurde 78 Jahre alt. Da die Ehe seines Sohnes keine Kinder hervorgebracht hatte, ging die ganze Grafschaft Tecklenburg über Ottos Tochter Heilwig an deren Ehemann Otto II. von Bentheim aus dem Grafenhaus Bentheim-Holland. der dann Otto II. von Bentheim-Tecklenburg genannt wurde.

Nach dem Tod Otto II. übernahm 1279 sein Sohn Otto III. von Tecklenburg die Grafenkrone. Er musste wegen starker Verschuldung 1282 die Burg Tecklenburg an den Bischof von Osnabrück verpfänden. Das erklärt auch den Sinn der Urkunde aus dem Jahre 1292, in der Ritter und Knappen des Grafen versprechen, in den Burgen des Stiftes Osnabrück Wohnung zu nehmen und der Osnabrücker Kirche auf Erfordern Beistand zu leisten.[8]

Neben den oben erwähnten Burgmännern Keselinc und von Horne werden hier noch Budden, von Bramhorne, von Lon, von Mettingen, von Winkel, Vos und Ungenade erwähnt, sowie auch ein Knappe Konrad von Strothus (de Wechte) erwähnt, der wahrscheinlich mit dem heutigen Hof Strothmann/Rickermann in Verbindung steht.[9] Otto III. war beim Erstellen der Urkunde bereits verstorben. (1285)

Otto IV. († 03.05.1307) folgte seinem Vater als Graf von Tecklenburg-Ibbenbüren und als Vogt von Metelen und Malgarten. Er heiratete 1296 Beatrix von Rietberg. Um sein Territorium auszudehnen, befestigte er sein Land und baute die Burgen in Cloppenburg, bei Bad Essen, Bevergern, Lingen oder das Gut Hange bei Freren. Weiterhin konnte er, d.h. eigentlich sein Vormund und Onkel Eberhard von der Mark, die verpfändete Tecklenburg zurückerwerben.

Otto führte mehrere Fehden gegen die Bischöfe von Osnabrück und Münster sowie gegen die Grafschaft Ravensberg. Um dies zu finanzieren, verpfändete er einen Großteil der Vogtei Metelen.

Nach dem Tod Ottos IV. war sein Nachfolger noch minderjährig, so dass Mutter Beatrix zunächst die Regierung übernahm. Der Sohn übernahm schließlich als Otto V. die Grafschaft. Er heiratete Kunigunde von Dale. 1329 starb er kinderlos. Als Erbe war bereits im Vorfeld der älteste Neffe Ottos IV., Nikolaus I. von Schwerin bestimmt worden. Ab 1328 kamen die Grafen von Tecklenburg aus dem Haus Schwerin. Nikolaus stammte aus der Ehe von Richardis, Tochter von Otto IV., mit Gunzelin VI. von Schwerin, der zwischenzeitlich schon für den kranken Tecklenburger regiert hatte. Nikolaus war verheiratet mit Helene von Oldenburg-Altenbruchhausen. Auch Nikolaus war beim Tod seines Vater noch minderjährig und wurde bis zu seiner Volljährigkeit von Graf Adolf von der Mark als Vormund vertreten. Nikolaus verstarb 1367.[10]

1367 hieß der nächste Graf Otto VI. von Tecklenburg – Schwerin († um 1395) . Er setzte die zahlreichen Fehden seiner Vorgänger fort, begleitet von Räubereien und Übergriffen. 1365 sicherte er sich durch Heirat mit Adelheid zur Lippe, Erbin von Rheda, die Herrschaft Rheda. Otto wurde nach schwerem Familienkonflikt im Jahr 1388 von seinem Sohn Nikolaus aus der Tecklenburg vertrieben und hielt sich danach vornehmlich in Lingen, Cloppenburg und Rheda auf.[11] Gegen Ende seines Lebens verlor er Cloppenburg und Friesoythe an eine Koalition der Bischöfe von Osnabrück und Münster.[12]

Sohn Nikolaus II., Graf von 1388 – 1426, verheiratet mit Elisabeth von Moers, verlor um 1400 in Auseinandersetzungen mit den Hochstiften Münster (Bischof Otto IV.) und Osnabrück (Bischof Dietrich) und dem Erzstift Köln mit Cloppenburg, Friesoythe, Bevergern etwa die Hälfte seines Gebietes an das Hochstift Münster und wurde auf zwei nur durch einen schmalen Landstreifen verbundene Teile um Lingen (spätere Niedergrafschaft) und um Tecklenburg beschränkt.

Fortan wurden die Landstände im Landtag der Grafschaft nur noch durch zehn landtagsfähige Güter[13] vertreten: Haus Marck, Haus Kappeln (bei Westerkappeln), Haus Hülshoff (bei Tecklenburg), Haus Kirstapel (bei Lienen), Haus Kronenburg (bei Lengerich), Haus Langenbrück (bei Westerkappeln), Haus Meesenburg (bei Ledde), Haus Schollbruch (bei Lengerich), Haus Velpe (bei Westerkappeln) und Haus Vortlage (bei Lengerich)[14] Es gab auch nicht landtagsfähige Güter, wie z. B. das Haus Intrup oder das Haus Ahe in Settel.

1426–1450 regierte Otto VII., Nikolaus einziger Sohn, die Grafschaft Tecklenburg. Wie sein Vater führte er ständig Fehden, um die Verluste seines Vaters rückgängig machen, was ihm jedoch nicht gelang. So musste er sich weiter verschulden und beschleunigte den Niedergang der Grafschaft. Er war zweimal verheiratet, zuerst mit Ermengard von Hoya, anschließend mit Adelheid von Plesse.[15]

Von 1450–1508 war Ottos Sohn aus erster Ehe, Nikolaus III., regierender Graf von Tecklenburg. Sein Beiname war „der Böse“. Er dachte nur an sein Wohlergehen, verbrauchte sehr viel Geld, das er erbarmungslos bei seinen Untertanen eintrieb. Seine Streitigkeiten mit seinem Vater nahmen Ausmaße an, dass Nikolaus diesen 1450 absetzte und gefangen nehmen ließ. 1485 verjagte er seine Frau Mechtild, genannt Metta, unter Hohn und Spott vom Hofe und trieb sie in die Arme ihrer Familie von Bergh-´s Heerenberg zurück.[16] 1491 war er erfolgreich, als die Grafschaft Tecklenburg nach langem Streit die Herrschaft Rheda endgültig zugesprochen wurde. Zunehmende Streitigkeiten mit seinen beiden Söhnen führten 1493 dazu, dass Nikolaus III. nunmehr von seinem Sohn Nikolaus IV. abgesetzt und in das Gefängnis seiner eigenen Residenz Tecklenburg gesperrt wurde.[17] Auf Druck von außen hat man ihn jedoch später wieder freigelassen.

1493 wurde der Vertrag zu Hamm zwischen dem Grafen Nikolaus dem Älteren auf der einen Seite und seinen Söhnen Otto und Nikolaus auf der anderen Seite geschlossen. Graf Nikolaus III. verzichtete auf die Regierung und übergab den beiden Brüdern die Grafschaft Tecklenburg und die Herrschaft Rheda. Ihm und nominell auch seiner Frau wurde die Herrschaft über Schloss, Stadt und Amt Lingen überlassen. Er dachte jedoch auch jetzt nicht daran, seine Frau Metta bei sich aufzunehmen. Sie lebte fortan bei ihren Söhnen auf der Tecklenburg.

Im Juni des Jahres 1496 starb Graf Nikolaus III. Nachdem die Herrschaft Lingen für zwei Jahre wieder mit Tecklenburg vereint war, teilten die Söhne 1498 sämtlichen Besitz. Nikolaus der IV. erhielt die Grafschaft Lingen mit den Kirchspielen Lingen, Baccum, Bramsche, Plantlünne, Beesten, Schapen, Freren, Thuine, Lengerich, Bawinkel, Recke Mettingen, Ibbenbüren, Brochterbeck und zog mit seiner Mutter in die Lingener Burg. 1518 hatte Nikolaus IV. den Bischof Erich II. von Münster derart provoziert, u.a. ließ er Kaufleute auf münsterschem Boden überfallen, dass Erich in einem Kriegszug die Stadt Lingen besetzte. Nikolaus flüchtete an den Hof des Herzogs Johann von Kleve, der gemeinsam mit dem Erzbischof von Köln zu vermitteln suchte. Als dieser Versuch scheiterte, unterstellte sich Nikolaus seinem Verwandten, dem Herzog Karl Egmont von Geldern als Vasall und brachte Lingen als Lehen ein. Aus Sorge vor einem Krieg mit dem Herzog von Geldern zog der Bischof von Münster wieder ab.[18]

Die Kirchspiele Westerkappeln, Wersen, Lotte, Leeden, Tecklenburg, das westfälische Lengerich, Lienen, Ladbergen und die Exklave Schale erhielt bei der Teilung Nikolaus Bruder Otto VIII.[19], zusammen mit Rheda. Otto war verheiratet mit Irmgard von Rietberg und regierte bis zu seinem Tod 1534. Um die Grafschaft Lingen wieder mit Tecklenburg zu vereinen, integrierte er mächtig gegen seinen Bruder Nikolaus IV., damit dieser ohne Nachkommen bleibt.

Ottos Sohn Konrad wurde sein Nachfolger. Konrad trug auch den Beinamen „der dolle Cord“, weil er wohl genauso streitsüchtig wie sein Onkel und sein Großvater war. Nach Auskunft vieler Quellen soll Konrad 1527 in der Grafschaft die Reformation eingeführt haben. Christof Spannhoff stellt das in seinem Buch „Kleine Geschichte der Reformation in der Grafschaft Tecklenburg“ wohl zu Recht in Frage, denn in jenem Jahr regierte schließlich noch Konrads altgläubiger Vater.[20]

Konrad machte seine Junkerausbildung am Hof des Landgrafen Philipp von Hessen. Beide besuchten den Reichstag zu Worms, wo Martin Luther vorgeladen war und anschließend mit dem Reichsbann belegt wurde. Philipp bekannte sich recht früh zum lutherischen Bekenntnis und führte 1526 die Reformation in Hessen ein. Konrad heiratete 1527 Philipps Cousine Mechthild, eine ausgetretene Augustiner-Chorfrau aus dem Kloster Weißenstein bei Kassel, und zog mit ihr nach Rheda, dessen Herrschaft ihm von seinem Vater übertragen war. Unter dem Einfluss von Philipp und Mechthild war Konrad zum überzeugten Protestanten geworden. Johann Pollius, ein ehemals katholischer Geistlicher, der sich zur Lehre Luthers hingewendet hatte, wurde 1527 als Hofprediger nach Rheda berufen. Er wirkte eifrig für die Protestantisierung der tecklenburgischen Lande und   war zugleich aber auch in politischen Dingen als Geschäftsträger des Grafen tätig. Er war auch maßgeblich an der Erstellung der ersten lutherischen Kirchenordnung beteiligt. Schließlich wurde er Pfarrer an der evangelischen Katharinenkirche in Osnabrück.[21] Der lutherische Prediger Hermann Keller wurde schon früh in Tecklenburg eingesetzt. Er gilt nach Johann Münster zu Vortlage als maßgeblicher Reformator der Grafschaft Tecklenburg.[22] In Lingen schließlich wurde der evangelische Prediger Jacob Weldigen[23] eingesetzt, der mit einer unehelichen Tochter von Konrad verheiratet war. Weil von Luther und auch von den Anhängern der Reformation die Verehrung von Heiligen und ihrer Abbilder abgelehnt wurde, ließ Konrad die Margarethenstatue aus der Kirche des westfälischen Lengerich entfernen und den Margarethenkult beenden, aus dem die Stadt lange Profit zog. 1543 erließ Konrad die erste eigene (lutherische) Kirchenordnung, die auch dazu dienen sollte, die kirchliche Oberhoheit des Bischofs von Osnabrück abzuschütteln.

1538 trat er dem Schmalkaldischen Bund bei, den die evangelischen Fürsten zum Schutz ihres Glaubens gegen den Kaiser gegründet hatten. Als Nikolaus IV. 1541 unverheiratet und ohne legitime Nachkommen starb, erbte Konrad, sein Neffe, die Grafschaft Lingen, die er ungeachtet der von Nikolaus getätigten Lehensübertragung wieder in die Grafschaft Tecklenburg integrierte.

Im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 geriet er, obwohl nicht direkt beteiligt in Opposition zum katholischen Kaiser Karl V., von dem er geächtet wurde. Am Ende des Krieges wurde Konrads Besitz eingezogen und an Graf Maximilian von Büren übergeben. Durch Vermittlung des Kölner Erzbischofs Adolf von Schaumburg gelang es Konrad zwar im Jahre 1548, einen Vertrag mit dem Grafen von Büren auszuhandeln und die Grafschaft Tecklenburg sowie die Herrschaft Rheda zurückzuerhalten, aber die Grafschaft Lingen musste er abgeben.[24] Karl V. berief sich dabei auf die Lehensübertragung durch Nikolaus IV. an das Herzogtum Geldern, dessen Besitzer er inzwischen selbst geworden war.

 

Konrads einzige Erbin war 1557 seine Tochter Anna. Sie hatte 4 Jahre zuvor Everwin (Eberwin) III. von Bentheim-Steinfurt geheiratet. So fiel Tecklenburg zum wiederholten Male an das Haus Bentheim. Everwin soll bei der Hochzeit erst 18 Jahre alt gewesen sein, Anna 21.[25] Die Beweggründe für diese Verbindung waren konfessioneller und insbesondere territorialer Art. Die Vermählung war für beide Grafenhäuser derart wichtig, dass in den vertraglichen Eheverhandlungen neben Morgengabe (Zuwendung von Geld oder Gütern des Bräutigams an die Braut) und Wittum (Witwengeld) auch ein weiterer Passus aufgenommen wurde. Danach sollte der jüngere Bruder Arnold bei einem vorzeitigen Ableben Everwins die Ehe mit Anna eingehen.

Nach dem Tod des Grafen Konrad von Tecklenburg kam es zur Zerrüttung der gräflichen Ehe. Everwin beanspruchte von seiner Frau die Regierungsgewalt über die Grafschaft Tecklenburg und die Herrschaft Rheda. Gräfin Anna wollte jedoch die Regierungsgeschäfte selbst führen. Daraufhin ließ der Graf seine Frau in ihrer eigenen Residenz, der Tecklenburg inhaftieren. Nur durch das Eingreifen des Grafen Christoph von Oldenburg, Annas Cousin, konnte diese Inhaftierung beendet werden. Auch kam es zu Vorwürfen des Ehebruchs gegen Everwin. Die Tecklenburger Ritterschaft schlug sich auf die Seite der Gräfin Anna und warf dem Grafen vor, er habe „mit anderen Weibern als der Gräfin Beylager“ gehalten und somit die Ehe gebrochen. Überdies soll Everwin einen Hang zum Luxus gehabt haben, denn die Gräfin warf ihm vor, zu viele kostbare Pferde zu unterhalten. Unter Mithilfe umliegender Territorialfürsten konnte der Ehestreit in einem Eherezess beigelegt werden.[26]

Die Tragödie endete schließlich mit dem Tod Everwins im Jahr 1562. Der Graf starb im Alter von 26 Jahren an der „Französischen Krankheit“, der Syphilis.[27]

Anna heiratete ihren Schwager wohl nicht und regierte in Vormundschaft für ihren Sohn Arnold elf Jahre allein weiter. In dieser Zeit wehte ein neuer, ein friedlicher Wind durch das Land. Die Gräfin führte keine Kriege mehr, sondern Verhandlungen. Die Verteidigungsanlagen der Tecklenburg ließ sie kurzerhand einebnen. Unter ihrer Regie wurde die wehrhafte Burg zu einem prächtigen Schloss umgebaut.

Überall in Westfalen loderten vor allem im 16. und 17. Jahrhundert die Scheiterhaufen auf. Wie eine Epidemie verbreitete sich ein mörderischer Hexenwahn. In katholischen wie evangelischen Landstrichen wurden zahllose Menschen, meist aus der bäuerlichen Bevölkerung, unschuldig zu Tode gequält. Männer waren unter den Opfern, sogar Kinder, vor allem aber Frauen. Die Grafschaften Bentheim, Tecklenburg und Steinfurt sowie Herrschaft Rheda blieben allerdings völlig ausgespart. Zu verdanken war dies vor allem der Gräfin Anna von Tecklenburg, als sie die Geschicke der Grafschaften leitete. Sie erwarb einschlägige medizinische Heilkenntnisse und stand unter ihren Zeitgenossen in dem Ruf, eine geschickte Heilerin zu sein. Auf der Tecklenburg gab es sogar eine reiche Sammlung von Arzneien, von Salben, Pillen und Tinkturen; höchstwahrscheinlich war diese Apotheke, für damalige Verhältnisse ungewöhnlich auf einer Burg, von der Gräfin Anna eingerichtet worden.[28]

Anna behielt die Regentschaft für Bentheim und Steinfurt bis 1573 und für Tecklenburg und Rheda bis zu ihrem Tod 1585. Sie soll an der Pest verstorben sein.

Annas Sohn, Arnold II., wurde der nächste Regent. Er hatte an der reformierten Akademie in Straßburg studiert und führte1588 den reformierten Glauben nach Calvin und Zwingli ein. Er starb 1606 an den Folgen von Epilepsie.

Danach wurde der Besitz unter Arnolds Söhnen aufgeteilt. Dabei erhielt Adolf von Bentheim Tecklenburg und Rheda.(von 1606 – 1623) Er tat erstmals viel für die Bildung. Das Graf-Adolf-Gymnasium ist nach ihm benannt.

1623 folgte Adolfs Sohn Moritz von Bentheim-Tecklenburg auf den Grafenthron. Er war beim Tod seines Vaters erst 8 Jahre alt. Erst 1634 übernahm er von seiner Mutter die Herrschaft in Tecklenburg. Durch den 30-jährigen Krieg war die Grafschaft hoch verschuldet. Moritz versuchte, die Wirtschaft durch die Förderung der Leinenproduktion anzukurbeln. Er und seine Frau Johanna Dorothea von Anhalt-Nassau hatten 10 Kinder.

1674 wurde der älteste Sohn Johann Adolf Graf von Tecklenburg. Er trat die inzwischen durch Heirat hinzugekommenen Gebiete, Grafschaft Limburg, Wevelinghoven und Gronau an seinen Bruder Friedrich Moritz ab. Er selbst heiratete 1664 Johanna Dorothea Gräfin zur Lippe-Alverdissen. Mit dieser hatte er zwei Töchter. Schon bald kam es zu einem schweren Ehekonflikt. Johann Adolf warf seiner Frau einen unzüchtigen Lebenswandel und Ehebruch vor. Sie wurde auf Schloss Hohenlimburg festgesetzt. Der Scheidungsprozess vor dem Konsistorium in Rheda zog sich über Jahre bis 1676 hin.

1679 heiratete Johann Adolf Charlotte Landgräfin von Hessen-Eschwege, verwitwete Herzogin von Sachsen-Weißenfels. Mit ihr hatte er zwei Söhne und vier Töchter, was ihn nicht davon abhielt, wieder ein Scheidungsverfahren einzuleiten. Die Scheidung erfolgte 1693.

Seit Generationen schwelte ein Erbschaftsstreit mit dem Haus Solms-Braunfels (in Hessen gelegen). Die Schwester des dollen Cord (Konrad) hatte Philipp von Solms-Braunfels geheiratet. Konrad hatte ihr den Brautschatz oder zumindest große Teile vorenthalten und ihr auch wohl Erbansprüche entzogen. Nachdem man sich mit Philipp zunächst schon geeinigt hatte, zog Philipps Sohn, Konrad von Solms-Braunfels jedoch 1577 mit einer Klage vor das Reichskammergericht. Der Prozess zog sich über 100 Jahre hin. 1686 sprach das Reichskammergericht sich zugunsten des Hauses Solms- Braunfels aus. Im Vertrag von Lengerich 1699 verzichtete Johann Adolf schließlich gegen eine Entschädigung auf die Tecklenburg und ¾ der Grafschaft sowie auf ein Viertel der Herrschaft Rheda. Im Jahr 1707 verkaufte Wilhelm Moritz von Solms Braunfels die Grafschaft Tecklenburg für 250 000 Reichstaler an das Königreich Preußen. Im Berliner Vergleich verzichtete das Grafenhaus Bentheim-Tecklenburg 1729 gegenüber Preußen auf alle Ansprüche. Nachfolger der Tecklenburger findet man fortan nur noch in Rheda.[29]

[1] christofspannhoff.wordpress.com/2020/02/14/ueberlegungen-zur-entstehung-der-burg-tecklenburg/comment-page-1/

[2] Es wird mehrfach der Begriff Vogtei erwähnt. Unter den Karolingern war der Vogt ein staatlicher Beamter, der als Stellvertreter von kirchlichen Würdenträgern, (Bischöfe, Äbte) die Verwaltung der weltlichen Interessen vor allem in Rechtsfragen und Gerichtsbarkeit übernahm und für die Schutzherrschaft sorgte. Seit dem 13. Jahrhundert übernahmen Vögte auch im Auftrag weltlicher Herrscher Verwaltungsaufgaben. Sie legten Steuern fest, zogen diese ein, sie hielten Gericht und ahndeten Vergehen.

[3] Das Stift ist tatsächlich Neutrum und meint in der Regel eine (gestiftete) kirchliche Einrichtung, z. ein Bistum oder ein Kloster mit allen dazugehörigen Personen, Gebäuden und Liegenschaften. Die Stifter dieser Einrichtungen waren in der Regel Könige, Herzöge oder begüterte Adelsfamilien. Ihre Motivation war zugleich religiös und politisch.

[4] christofspannhoff.wordpress.com/2020/02/14/ueberlegungen-zur-entstehung-der-burg-tecklenburg/comment-page-1

[5] Spannhoff, Christof in „Tecklenburg im Mittelalter“

[6] www.essen-oldb.de/die-gemeinde/chronik-historie/

[7] Spannhoff in „Tecklenburg im Mittelalter“

[8] Osnabrücker Urkundenbuch Bd. IV, 346, Auszug im Besitz des Autors

[9] Schumann, Gert, Geschichte der Stadt Lengerich, Band 1 S.73

[10] Spannhoff in „Tecklenburg im Mittelalter“

[11] ebd.

[12] ebd.

[13] In diesem Text und in den Quellen dazu fallen Begriffe wie Ritter, Ministerialen, Dienstmänner (Dienstmannen), Burgmänner (Burgmannen), Landstände.  Ministerialen waren vom Ursprung eine Art Hausbeamte eines Landesherrn im Hof-, Verwaltungs- und Kriegsdienst. Da sie dem Landesherrn dienten, waren sie also gleichzeitig die Dienstmannen. Sie gingen schließlich im Rittertum auf. Burgmannen waren diejenigen, die im Auftrag eines Burgherrn eine Burg zu bewachen und verteidigen hatten. Mit ihnen sind also ebenfalls die Ritter gemeint. Man spricht auch von ritterbürtigen Ministerialen. Zu den Rittern (milites) gesellten sich noch die Knappen (armigeri), sozusagen die Ritteranwärter. Landstände wurden in der Grafschaft Tecklenburg ausschließlich von der Ritterschaft gebildet. In der Versammlung der Landstände, die nur der Landesherr einberufen konnte, saßen jedoch nur einige Ritter. Diese Versammlung wird im allgemeinen als Landtag bezeichnet. Die Wohnsitze der Landtagsmitglieder nennt man landtagsfähige Güter. Die Landstände bestimmten mit bei der Veräußerung oder Verpfändung von Grafschaftseigentum, bei Schatzungen und Steuern, Festsetzung der Aussteuer der gräflichen Kinder, Ernennung von Beamten usw. Bei Dokumenten und Verträgen sind Ritter als Zeugen aufgeführt. (nach Hunsche Bd.1, S. 41 – 51)

Aus den Reihen der Ministerialen wurde auch immer ein Drost erwählt. Das ist eine Art Verwalter bzw. Vertreter. Schon um 1150 wird eine Ritter von Vincke als Drost von Tecklenburg genannt, 1290 ein Lambert Budde oder 1348 ein Johann Keselink. (Hunsche Bd.II)

[14] Christoff Spannhoff für Heimatverein Lienen 21.9.2021

[15] Spannhoff in „Tecklenburg im Mittelalter“

[16] www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-9065.pdf

[17] Ehbrecht, Wilfried, Lingen 975 – 1975 S. 57

[18] nach Manfred Wolf „Die Entstehung der Obergrafschaft Lingen“ /www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

[19] manchmal auch der IX. genannt

[20] Wie im Weiteren beschrieben bezieht sich die Einführung der Reformation in jenem Jahr nur auf Rheda.

[21] Spannhoff, Christof, Kleine Geschichte der Reformation in der Grafschaft Tecklenburg, Lienen 2017 S. 23/24

[22] ebd. S. 22

[23] auch Ledigen

[24] uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/territorienderreformation/gftlingen

[25] Spannhoff spricht sogar von 6 Jahren Altersunterschied.

[26] nach Spannhoff 2017 S. 57 – 50

[27] www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php

[28] www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=509&url_tabelle=tab_person

[29] nach Hunsche Bd.1 und .lwl.org/westfaelische-geschichte

Abbildungen:

Abb. 1: Die Burg Tecklenburg als Kupferstich;
Quelle: https://www.tecklenburg-touristik.de/sehenswertes-kultur/historischer-altstadtrundgang/die-burg/

Abb. 2: Simon I Graf von Tecklenburg, Gründer von Malgarten
Quelle: https://wiki.genealogy.net/Grafschaft_Tecklenburg

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