von Ansgar Benedixen

Inspiriert durch einen Besuch aus Amerika in 1994 habe ich mich mit der Geschichte von in die USA ausgewanderter Familienangehöriger befasst. Vor 20 Jahren sind Jim McTigue und seine Frau Dori aus Spokane (Bundesstaat Washington) auf der Suche nach den Spuren seiner Vorfahren gemeinsam mit dem Heimatforscher Bernhard Klaßen aus Haselünne bei meinen Eltern in Gersten aufgetaucht.

Dies war der Beginn meiner genealogischen Forschungsarbeiten. Im Rahmen der Recherchen habe ich u. a. das Buch „Auswanderungen und Auswanderer aus dem ehemaligen Kreise Lingen nach Nordamerika“ von Walter Tenfelde und „Die Familie Stroot“ von Franz Kottebernds aus dem Jahre 1996 mit herangezogen. Daneben habe ich durch die auf den verschiedenen Reisen in die USA entstandenen Kontakte wertvolle Hinweise über die Lebenswege der Auswanderer erhalten.

Heuerleute aus Gersten wandern aus

Im Folgenden geht es um Bernhard Heinrich und Helena Maria Stroot, die im vorletzten Jahrhundert mit ihren Kindern aus Gersten ausgewandert sind. Vermutlich sind sie den vielen Stroots gefolgt, die bereits ab Beginn des 19. Jahrhunderts nach Nordamerika ausgewandert waren. Die Geschichte behandelt gleichzeitig meine eigene Familiengeschichte, da Maria Helena Benedixen die Schwester meines Ur-Urgroßvaters war.

Bernhard Heinrich Stroot und Helena Maria Benedixen haben 1844 geheiratet und als Heuerleute des Bauern Banke in Gersten gelebt. Im September 1867 sind sie mit ihren vier Kindern in den Mittleren Westen der USA ausgewandert. Zwei Kinder waren bereits im Kindesalter gestorben. Sie haben sich in Quincy, Illinouis niedergelassen. Die am Mississippi gelegene – um 1825 entstandene Stadt – umfasste zu der Zeit rund 20.000 Einwohner, überwiegend deutschstämmige Einwanderer.

Bernard Heinrich arbeitete noch einige Jahre in den USA. Er starb im März 1888 im Alter von 78 Jahren. Seine Frau Helena Maria starb 77 jährig im Oktober 1897. Beide liegen auf einem Friedhof in Quincy begraben.

 

Schicksalwege führen zurück ins Emsland

Die Kinder haben in den USA verschiedene Wege genommen. Der älteste Sohn Johann Bernhard soll als Kirchenmaler tätig gewesen sein. Bei einem Arbeitsunfall ist er verunglückt. Die ebenso aus dem Emsland stammende Witwe ist mit ihren beiden Kindern zurück nach Deutschland gezogen. Auf dem Seeweg ist das einjährige Mädchen Lysette gestorben. Die Mutter ist mit ihrem Sohn Heinrich nach Dohren gegangen.

Ein weiterer Sohn, Johann Heinrich, ist als junger Erwachsener in Quincy gestorben. Die Tochter Anna Maria ist 1872 in den „Orden unserer lieben Frau vom Berge Karmel“, Wisconsin eingetreten.

Die Spuren führen nach Quincy

Der jüngste Sohn Clemens August wurde am 24. April 1860 in Gersten geboren. Im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern nach Quincy gekommen, genoss August C. Stroot in Quincy eine Erziehung und Ausbildung; er besuchte die Gemeindeschule und das Saint Francis College. Seine berufliche Tätigkeit begann zunächst als Büroangestellter in einem Textilunternehmen. Ab dem 18. Lebensjahr war er in einem Haushaltswarengeschäft von H. und J.H. Tenk beschäftigt. Treu in der Erfüllung bzw. Durchführung seiner Aufgaben, gewann er das Vertrauen und die Anerkennung seiner Arbeitgeber, und als das Unternehmen in die Tenk Hardware Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, wurde er zum Sekretär ernannt. Er identifizierte sich mit der Firma und füllte seine Dienstpflichten 16 Jahre aus, bis er das Amt aus gesundheitlichen Gründen niederlegen musste.

Mit Unternehmergeist zum Erfolg

Später eröffnete er ein eigenes Haushaltswarengeschäft und führte dies erfolgreich für ein paar Jahre. Weil sein beständig anwachsendes Geschäft dann eine geräumige Unterkunft erforderte, kaufte Clemens August in der Stadt ein großes Backsteingebäude und errichtete dort ein Lagerhaus. Den Betrieb führte er mit dem charakteristischen Unternehmungsgeist und Erfolg fort. Während dieser Zeit hat er ein stattliches Wohnhaus gebaut; das Backsteinhaus war ein feines Beispiel architektonischer Schönheit und Nützlichkeit dieser Zeit.

Clemens August hat am 6. Juni 1887 Ann Kathmann geheiratet. Sie starb am 21. Dezember 1891 und hinterließ ein Kind, Alphons C. Stroot. Am 11. Oktober 1893 heiratete Clemens August erneut und nahm Matilda Ridder zu seiner zweiten Frau. Aus dieser Verbindung wurden sieben Kinder geboren, nämlich: Rosalia, Helen, Edgar, Loretta, Edith, August und Carline.

Im Jahre 1926 starb August C. Stroot. Im Nachruf wurden sein wirtschaftlicher Scharfsinn und seine kaufmännischen Fähigkeiten hervorgehoben. August C. Stroot bekleidete einen hohen Rang zwischen den wohlhabenden Kaufleuten von Quincy. Seine zweite 1871 geborene Frau Matilda hat bis zu ihrem Tod im Jahre 1973 in dem von Clemens August erbauten Wohnhaus gelebt.

Erfolgreiche Unternehmerfamilie

Die beiden Söhne Edgar und August waren zunächst im Geschäft ihres Vaters angestellt. Der jüngste Sohn August hat das Unternehmen 1924 übernommen und bis zum Beginn seines Ruhestands im Jahre 1974 fortgeführt. In dem Geschäft wurde in den ersten Jahren – so berichtete August – noch Deutsch gesprochen. „Es kamen viele Deutsche in den Laden“. Nach dem ersten Weltkrieg ebbte die Deutsche Sprache ab, sie war zusehends verpönt. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs wurde Deutsch als Sprache verboten. Viele Amerikaner haben in dieser Zeit ihren Namen „amerikanisiert“ um sich von Deutschland zu distanzieren.

Im ehemaligen Haushaltswarengeschäft wird heute ein chinesisches Restaurant betrieben.

August und seine Frau Mildred, deren Vorfahren aus der Nähe von Herford stammen, feierten im Jahre 1999 ihren siebzigsten Hochzeitstag. In 2003 bzw. 2004 sind sie im Alter von jeweils 95 Jahren verstorben. Der Bruder Edgar ist bereits in jungen Jahren zum Kaufhauskonzern „Sears“ gewechselt, zunächst nach Chicago und dann nach Kalifornien, wo er als „Manager“ tätig war. Seine Familie lebt nach wie vor an der Westküste der USA.

 

Eine schwierige Heirat

Die Tochter Loretta hat 1925 den irischstämmigen und ebenso katholischen Gene McTigue geheiratet. Gewöhnlich heirateten die Nachfahren der Einwanderer nur innerhalb ihrer Nationen. Da zu der Zeit „länderübergreifende“ Verbindungen völlig ungewöhnlich waren, löste die Hochzeit erhebliche Diskussionen innerhalb der Familien aus, berichtete deren Sohn Jim McTigue.

Im 19. Jahrhundert bestanden die Deutschen in den USA auf deutschen Gottesdienst und deutsche Kirchen. Gemeinden mit katholischen Iren wurden abgelehnt. Durch die „isolierte“ Glaubensausrichtung wurden viele deutsche Priester benötigt. Bis 1860 sind über 500 Priester in die USA geschickt worden, allein aus dem Bistum Osnabrück 39.

Gute Schulbildung bildet den Grundstein

Aus den vielen Begegnungen mit den Nachfahren und Verwandten in den USA haben wir den Stellenwert einer guten Schulausbildung erfahren. Auslandsaufenthalte der Kinder, z. B. in Europa, waren schon früh angesagt. Auch Reisen waren und sind sehr beliebt. Ebenso waren sportliche Aktivitäten schon früh modern: Tennis und Golfspielen waren bei den Nachfahren von Bernard Heinrich und Maria Helena Stroot im Trend.

Die Nachkommen der Stroots haben sich von Quincy in viele Landstriche weiterbewegt, u. a. nach Chicago, nach Spokane bzw. Seattle im Nordwesten der USA und nach Kalifornien.

Ein Foto wirft neue Fragen auf

Inzwischen sind viele der Nachfahren, denen wir persönlich begegnet sind, bereits verstorben. Aber durch den Kontakt auch zu den nachfolgenden Generationen werden wir auch zukünftig den Austausch mit den amerikanischen Verwandten aufrecht erhalten.

Bei alledem ergeben sich weiterhin Fragen zur Familie. Suzanne Stroot, die Enkelin von Edgar, hat uns aus dem Nachlass ihres Großvaters ein bei „Luster“ in Lengerich aufgenommenes Foto überlassen. Nachdem die Identität der „unbekannten“ Frau lange ungewiss war, gehen wir inzwischen davon aus, dass es sich bei ihr um Maria Helena Benedixen handelt. Die Aufnahme könnte kurz vor dem Verlassen ihrer Heimat im Jahre 1867 entstanden sein. Aber den endgültigen Nachweis gilt es noch herbeizuführen.

Nicht nur diese Frage ist Grund genug die Forschungsarbeiten fortzuführen…

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