von Karl-Ludwig Galle, Nordhorn

1817 wanderte der ‚musizierende Schuster’ Johann Friedrich Erdbrink mit seiner Ehefrau Eleon. Wilh. Charlotte Reg. Bosse aus dem Ravensbergischen kommend nach Lingen ein. In den folgenden Generationen, also in knapp 200 Jahren, sind deutlich über 30 Familien nachweisbar, die mit diesen Urahnen in Beziehung stehen, sei es durch Einheirat oder Abstammung. Auch heute noch gibt es in Lingen mehrere Erdbrink-Familien. Die größte Nachkommenschar mit 11 Kindern und sehr vielen Enkelkindern hatte der Enkel Carl Erdbrink (s. unten), das nebenstehende Bild zeigt die Hochzeit seiner Tochter Pauline mit Louis Dümmer um 1919.

Aus welchen Gründen der ‚Urahn’ Johann Friedrich Erdbrink nach Lingen kam, kann nur vermutet werden. Bekannt ist folgendes: Er war aktiv Musikausübender. Viele seiner Nachkommen waren wie er ebenfalls Schuster und betätigten sich musikalisch. Sie stellten generationenlang die Mitglieder Lingener Blas- und Musizierorchester, mit denen sie das gesellschaftliche Leben und wohl auch Vereinsleben der Lingener Bürger bereicherten. Auch in den Kirchenbüchern werden neben ‚Schuhmacher’ auch Musicus, und ‚Musikdirigent’ als weiterere Berufe erwähnt.

Sozialer Aufstieg

Im Buch wird aus den Familiengeschichten deutlich, wie die Familien sich im kleinstädtischen Milieu entwickelten und durch Fleiß und Sparsamkeit vorankamen. Zunächst herrschten Handwerker-Familien vor. Aber auch die Industrialisierung, etwa durch die Eisenbahn, schlägt sich nieder. Einen besonders interessanten Familienzweig stellt die Familie Arend-Erdbrink dar: Augustin Arend sen. stammte aus einer Bauernfamilie in Nesselröden (Eichsfeld), erlitt im Kriege 1870/71 eine Verwundung und wurde danach Güterbahnhofsvorsteher in Lingen. Dort heiratete er Henriette Erdbrink, eine Schwester meiner Urgroßmutter Charlotte. Hier treten die ersten Akademiker auf: – Fritz Arend, der als Katasterbeamter und Musiker wohl den interessantesten Lebenslauf aufweist und sogar über 100 Jahre alt wurde. – Sein älterer Bruder Augustin Arend, der es bei der Oberpostdirektion Erfurt bis zum stellvertretenden Präsidenten brachte und sie in dieser Funktion viele Jahre sogar leitete. – Der 3. Bruder Adolf, der ein sehr erfolgreicher Fabrikant in Duisburg wurde. Auf der Abbildung sind rechts die Eltern Augustin sen. und Henriette und links von ihnen Schwiegertochter Elisabeth Schipper und Augustin jun. zu sehen.

Die ‚Linie’ des Kirchendieners Carl Erdbrink

Für Lingen von besonderem Interesse dürfte die ‚Sippe’ von Carl Heinrich August Erdbrink (1854 bis 1946) sein. Carl Erdbrinks Beruf wird mit Schneider angegeben. Als weiterer Beruf wird ‚Lohndiener’ genannt, der für viele Lingener Bürger Feste ausgerichtet hat. Ferner war er viele Jahrzehnte Kirchendiener der luth. Gemeinde in Lingen. Gravitätisch würdevoll schritt er hinter vielen Särgen her. Besonders bekannt aber wurde er als Zeremonienmeister der Kivelinge. Auf seine große Kinderschar wurde schon hingewiesen. Sparsamkeit und insbesondere ganz großer Fleiß aller Familienangehöriger war eine notwendige Voraussetzung für das gute Gedeihen bis in die Folgegenerationen der Familie. Das Bild zeigt Carl Erdbrink und seine Ehefrau Marie Louise Schmidt 1919.

Zur Familie Minne und den Hänschen-Nachkommen

Mein Urgroßvater Heinrich Minne (1835 – 1908) war als Sohn eines Dragoners in Sorsum Krs. Weetzen geboren worden. Mit seiner Ehefrau Christine Wodke (1837 – 1920) aus Lüneburg wurde er in Lingen vor 1869 heimisch. Er war von Haus aus Schaffner, konnte aber 1884 mit seiner Frau den nicht unbeträchtlichen Besitz des Lindenhofes am Pumpenkolk mit vielen Ländereien kaufen. Er war ein begeisterter Garten- und Blumenfreund, seine Gartenwirtschaft war ein Schmuckstück. Da seine drei Töchter (die älteste Mia, 1869-1938, blieb unverheiratet und litt seit der späten Jugendzeit an einer Gesichtskrankheit) als Erben nicht infrage kamen, wurde der Besitz nach seinem Tode verkauft. Viel Geld ging in der Inflation verloren. Das Bild zeigt den Lindenhof um 1902.

Zur Familie Hänschen-Erdbrink

Der Autor war bei der Vorplanung seiner Familiengeschichte ursprünglich davon ausgegangen, den Verwandtschaftsverhältnissen seiner Urgroßmutter Charlotte Hänschen geb. Erdbrink nachzugehen. Diese war eine resolute und bemerkenswerte Frau, Patin vieler Charlottes in der Verwandtschaft und war verheiratet mit dem Musiker und Gastwirt Johann Friedrich Adolf Hänschen, geboren am 02.02.1838 in Clausthal-Zellerfeld, gestorben 12.05.1895 in Lingen. Dieser war Leiter der Harzer Bergwerkskapelle gewesen und war aufgefordert worden, Strophen oder Verse eines Kivelingsliedes zu vertonen. Zum Kivelingsfest 1863 war diese Aufgabe gelöst, seither gibt es den Kivelingsmarsch. Der Musiker wurde in Lingen als Gastwirt des Ratskellers heimisch, und heiratete dann meine Urgroßmutter Charlotte Erdbrink. Auf dem Bild von 1891 ist rechts noch meine Ururgroßmutter Elisabeth Erdbrink geb. Bartels (1821 -1893), die Mutter von Charlotte, zu sehen.

Posthänschen und Wasserhänschen

Die beiden Söhne des Ehepaars Hänschen Erdbrink waren mein Großvater Carl Hänschen (1867 – 1938), später ‚Wasserhänschen’ genannt und Fritz Hänschen, Posthänschen (1869 – 1962). Mein Großvater Carl war als Bautechniker am Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals beteiligt, insbesondere am Schleusenbau. Die Brüder Carl und Fritz heirateten die Schwestern Alwine (1871 – 1952), meine Großmutter, und Emma Minne (1874 – 1962). Fritz war viele Jahre im Bürgervorsteherkollegium, zeitweilig als Sprecher, tätig gewesen und vor allen Dingen auch in der Alten Liedertafel etliche Jahre als Liedervater engagiert. Dieser Liedertafel sowie dem Musikverein gehörten viele Mitglieder aus den erwähnten Familien an.
Das Bild zeigt die beiden verwitweten Mütter Christine und Charlotte, aus der folgenden Generation Carl und Fritz Hänschen mit Ehefrauen Alwine und Emma, einige ihrer Töchter und die im Gesicht etwas entstellte Maria (Mia) Minne, etwa um 1914.

Zur Familie Galle-Hänschen 

Meine Großeltern Carl und Alwine hatten drei Töchter. Christa blieb unverheiratet und wurde Klavierlehrerin, Lotti heiratete den Uelsener Kaufmann und Gastwirt Otto Perlewitz. Meine Mutter Marieluise (1899 – 1992) als Jüngste wurde Lehrerin und heiratete den Lehrer Heinrich Galle (1898 bis 1931) Meine Schwester Michaela und ich wurden als Zwillinge 1928 geboren. Mein Vater verstarb also sehr früh, wenige Wochen nach seinem Bruder Ludwig (1900 – 1931). Der älteste Bruder meines Vaters, Wilhelm, wurde Postbeamter („Post“-Galle). Er lebte von 1897 bis 1981 und hatte mit seiner Frau Else acht Kinder, ein Kind starb im 1. Lebensjahr an einer Infektion. Das Bild zeigt meine Großeltern vor 1890.

Die Familie Galle war zunächst in Osnabrück ansässig gewesen. Mein Großvater Caspar Heinrich Galle war als Zuschneider nach Lingen gekommen, er starb schon 1919. Meine Großmutter Anna geb. Köhler lebte bis zu ihrem Tode 1941 zusammen mit der unverheirateten Tochter Marie (Mimi) in meinem Elternhaus in der Horkelstraße.

Zu den ausgewählten Bildern:

Das Ehepaar Minne/Wodke muss wohl recht begütert gewesen sein. Aus dem Besitz meiner Urgroßmutter Christine, die aus Lüneburg stammt, stammen die ältesten Familienbilder sogar in großer Anzahl. Es ist anzunehmen, dass schon die Familie Wodke (als Beruf des Vaters wird Schlachter angegeben) recht wohlhabend war. Mein Urgroßvater (1835 – 1908) wurde in Sorsum Krs. Weetzen geboren. Die nebenstehenden Bilder wurden nach der Familienüberlieferung wohl in Lüneburg angefertigt und zeigen meine Urgroßeltern vor oder um 1869. Aber auch meine Urgroßeltern ließen von ihren Kindern viele Bilder anfertigen, die weit in das 19. Jahrhundert zurückreichen.

Der Autor

Karl-Ludwig Galle wurde 1928 in Lingen geboren, machte am Georgianum 1947 das Abitur, war lange Zeit in Uelzen in der Lüneburger Heide tätig und leitete von 1978 bis 1993 das Gymnasium in Nordhorn. Die Kontakte nach Lingen wurden seit 1978 wieder verstärkt aufgenommen und sind bis heute nicht abgerissen. Er ist verheirate mit Anna Berta geb. Wiarda, die in Plantlünne geboren wurde. Unsere drei Nachkommen Birgit, Martin und Wilfried sind alle verheiratet. Aus diesen Familien sind sieben Enkelkinder hervorgegangen.

Das nebenstehende Bild von 1927 zeigt die Hochzeit meiner Eltern Marieluise geb. Hänschen (1899 -1992) und Heinrich Galle (1898 – 1931) mit den Verwandten und ihren Nachkommen aus den Familien Hänschen und Galle.

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