Der jüngeren Generation ist der Begriff des Heuerlingswesens vielfach schon gar nicht mehr geläufig. Dabei war diese Sozialisationsform bis etwa 1960 im ländlichen Bereich Nordwestdeutschlands stark verbreitet. In einem Gebiet vom nördlichen Ruhrgebiet bis an Ostfriesland heran und von der niederländischen Grenze bis fast nach Hannover gab es Heuerleute, und in etlichen Orten stellten sie mehr als die Hälfte der Einwohnerschaft.

Zu fast jedem Hof gehört ein Heuerling

Im Altkreis Lingen gehörte zu fast jedem Bauernhof ein Heuerhaus. Im Raum Bawinkel und Lengerich waren es bis zu acht Heuerstätten.
Das Heuerlingswesen erfüllte eine wichtige gesellschaftliche Funktion, gab es doch den nachgeborenen – wenig erbenden – Töchtern und Söhnen sowohl der Bauern als auch der Heuerleute für eine bestimmte geschichtliche Periode die Möglichkeit, zu heiraten und auf dieser Basis eine zumeist sehr bescheidene Existenz zu gründen.

Konflikte zwischen Besitzenden und Landlosen

Allerdings hat sich dann im Laufe der letzten 400 Jahre auch deutlich gezeigt, dass sich in diesem Zusammenleben von besitzenden und landlosen Menschen auf engem Raum zwischenmenschliche Probleme nahezu zwangsläufig entwickeln mussten. In seinem Vortrag gab Bernd Robben einen Überblick über das sehr kompakte und auch heute noch sensible Thema in der älteren ländlichen Bevölkerung. Schwerpunkte waren dabei etwa die Hollangängerei und die Massenauswanderung vieler Heuerleute nach Nordamerika. So verschwanden ab 1850 fast alle Heuerfamilien aus Elbergen in die „Neue Welt“. Die allermeisten Heuerhäuser sind mittlerweile abgerissen, nur wenige Heuerkaten sind schmuckvoll restauriert und erinnern an die „gute, alte Zeit“.

Lieber ein Kind verlieren als eine Kuh

Der Referent, Bernd Robben stammt von einem Bauernhof aus Gleesen und beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Thema des Heuerlingswesens. Der elterliche Bauernhof wurde inzwischen der nächsten Generation übergeben. Bernd Robben zog in das zum Hof gehörende Heuerhaus. Nicht alle Bauern der Bauerschaft hatten hierfür Verständnis, so Robben, und zitierte: „Du dröfst doch as Buur nicht in’t Hüürhus goan.“ Detailiert berichtete er über die Ausbreitung des Heuerlingswesens, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Der ehemalige Rektor bedauerte, dass es zu diesem Bereich kaum zusammenfassende Literatur gebe. Das düfte sich bald ändern, denn im Oktober 2014 ist die Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisseunter unter dem Titel „Lieber ein Kind verlieren als eine Kuh“ – 400 Jahre Heuerlingswesen in Nord-West-Deutschland, geplant.

Bildnachweis:
Bild 10 – Emsland-Museum Lingen, A. Eiynck
Bild 12 – Heimatverein Brögbern
Bild 13 – Heimatverein Brögbern

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