Archivalie des Monats Februar 2023

von Dr. Mirko Crabus

Bereits seit 1856 lag Elbergen an Bahngleisen, hatte aber zunächst keinen eigenen Bahnhof. Der Zug hielt in Leschede und Lingen, nicht aber in Elbergen. Die Gemeinde Elbergen wollte das ändern. 1868 und 1870 stellte sie unentgeltlich Flächen zum Bau des Ems-Vechte-Kanals zur Verfügung und erhielt dafür das Versprechen der Regierung, sich nach dem Kanalbau für einen Güterbahnhof einzusetzen, und zwar direkt an der Eisenbahnbrücke, wo der Kanal in die Ems münden sollte. 1879 wurde der Ems-Vechte-Kanal fertiggestellt, doch der Güterbahnhof kam nicht. Ende der 1880er Jahre wurde in der Lokalpresse noch immer diskutiert: Wäre ein solcher Bahnhof überhaupt wirtschaftlich? Was wäre mit einem Bahnhof für den Personenverkehr östlich der Gleise? Und könnte man neben der Eisenbahnbrücke nicht ohnehin mal eine Fußgängerbrücke über die Ems bauen? 

Realisiert wurde schließlich die Idee eines Bahnhofs für den Personenverkehr – mit Einschränkungen auch für den Güterverkehr – direkt bei Elbergen. Er lag am Bahnübergang der (entsprechend so genannten) Bahnhofstraße, östlich der Gleise. Am 1. Mai 1897 wurde der Bahnhof feierlich eröffnet. Ab demselben Tag galt ein neuer Eisenbahnfahrplan, und der sah zwischen Lingen und Leschede auch einen Halt in Elbergen vor. Unkenrufe gab es immer noch: Der Bahnhof werde sich nicht rentieren und innerhalb eines Jahres nach Hanekenfähr verlegt werden. Doch das Interesse war durchaus lebhaft. Am Tag der Eröffnung wurden allein in Lingen 195 Fahrkarten mit Ziel Elbergen ausgegeben. Vier Monate später waren es bei stabilen Verkaufszahlen insgesamt über 4000 Fahrkarten. 

Beliebt wurde der Bahnhof schließlich auch bei Ausflüglern aus Rheine. In Elbergen angekommen, kehrten sie in der Gaststätte Berning ein und wanderten zurück bis nach Leschede, wo sie wieder in die Bahn stiegen. Allerdings gab es auch Unfälle. 1928 wurde eine 22-Jährige auf dem Bahnsteig vom Zug erfasst. 1924 rollte ein Güterzug über ein dreijähriges Mädchen hinweg – das erstaunlicherweise praktisch unverletzt blieb. Und 1904 löste der Funkenflug einer Dampflokomotive zwischen Elbergen, Bernte und Leschede einen Brand aus, der 400 bis 500 Morgen Wald und Heideland vernichtete. Das ursprünglich recht kleine Dienstgebäude wurde schließlich durch ein größeres ersetzt, das im Herbst 1907 bezogen werden konnte. Hier war auch eine Posthilfsstelle angesiedelt, doch als 1911 beim Zimmermeister Rothlübbers ein lang ersehntes öffentliches Telefon eingerichtet wurde, wanderte auch die Posthilfsstelle dorthin. Der Preis für ein Dritteklasseticket von Elbergen nach Lingen lag vor dem Ersten Weltkrieg bei 25 Pfennigen. Inflationsbedingt stieg der Preis danach. Im Jahr der Hyperinflation 1923 kostete das Ticket dann bis zu 2,7 Milliarden Mark. Erst nach Einführung der Rentenmark normalisierten sich die Preise wieder. 

Noch vor Eröffnung des Bahnhofs führten die schmalspurigen Gleise einer Pferdebahn von der Alexishütte nach Elbergen. Die Alexishütte war 1854 bei Wietmarschen gegründet worden, um Raseneisenerz zu verarbeiten, das direkt vor Ort abgebaut wurde. Doch die Geschichte der Hütte war von Krisen bestimmt. Nach einem konkurs 1863 lag die Hütte für mehrere Jahre still. Auch 1871 wurde der Betrieb zeitweise eingestellt. Das Problem waren die hohen Transportkosten. Koks und Kalk für den Brennofen mussten mit Fuhrwerken herangeschafft werden, und die Abtransport des Eisens zur 16 km entfernten Bahnladestation Lingen kostete Unsummen. Eine Pferdebahn von der Alexishütte bis zur Bahnstrecke in Elbergen sollte das Problem lösen. 1873 wurde sie – inklusive einer hölzernen „Pferdebahnbrücke“ über den Ems-Vechte-Kanal – fertiggestellt. Pferde zogen fortan Güterwagen von Elbergen nach Wietmarschen und zurück. Die Alexishütte wurde 1874 dennoch endgültig geschlossen, und 1882 wurden an der ehemaligen Haltestelle der Alexishütte bei Elbergen das Wärterhaus und ein Materialschuppen öffentlich versteigert. 

Die Trasse der Pferdebahn konnte für die Kruppsche Bahn teilweise nachgenutzt werden. Die Essener Firma Krupp hatte 1914 bei Nordhorn den Gutshof Klausheide gegründet. Noch im selben Jahr wurde eine Kleinbahn gebaut, die den Gutshof mit dem Ems-Vechte-Kanal verband. 1920 wurde beschlossen, die Linienführung der Kleinbahn bis zum Elbergener Bahnhof zu verlängern. Westlich des Bahnhofs wurde dafür ein Verladebahnhof mit eigenem Bahnhofsgebäude angelegt. Doch schon 1929 wurde die Kruppsche Bahn stillgelegt. Die Gleise wurden schließlich abgebaut, und das Kruppsche Bahnhofsgebäude wurde verkauft und andernorts wiedererrichtet. 

Auch der Bahnhof Elbergen existiert heute nicht mehr. Am 2. Juli 1976 wurde sein Betrieb eingestellt. 1989 rückte der einstige Bahnhof Elbergen dann aber doch noch einmal in den Blick der Öffentlichkeit. Am Bahnübergang der Bahnhofstraße wurde eine Lichtzeichenanlage mit Halbschranken errichtet. Es war die 500ste ihrer Art, und so wurde sie mit einer kleinen Feier eingeweiht.

 

 

 

Quellen und Literatur

  • StadtA LIN, Fotoserien, Nr. 1001, Bild 70.
  • StadtA LIN, Lingener Tagespost vom 14.10.1989.
  • StadtA LIN, Lingener Volksbote vom 8.5.1897, vom 1.6.1904 und vom 1.7.1911.
  • StadtA LIN, Lingensches Wochenblatt vom 5.5.1897
  • StadtA LIN, Sammlung Schulchroniken, Nr. 38.
  • Emslandmuseum Lingen: Gasthöfe an alten und neuen Verkehrswegen. Reisende kehrten in Emsbüren schon immer gerne ein, 2020 (https://emslandmuseum.de/).
  • Mönnich, Leo (Hg.): 1100 Jahre Elbergen. Geschichte eines Dorfes an der Ems 890-1990. Beiträge zur geschichtlichen Entwicklung Elbergens, Werlte 1990.

 

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