Archivalie des Monats September 2022

von Dr. Mirko Crabus

Ein erster Schlauchturm wurde in Lingen bereits 1899 gebaut. Es war der Steigerturm auf der Bleiche. Doch er zerfiel zusehens, und so wurde er 1929 durch einen Neubau an der Hafenstraße ersetzt. Doch auch der zweite Schlauchturm kam bald in die Jahre. Anfang 1956 stellte man fest, dass er inzwischen so brüchig war, dass er drohte, beim nächsten Sturm umzubrechen. Angesichts der ständig wachsenden Einwohnerschaft wurden die Räumlichkeiten an der Hafenstraße ohnehin zu eng. Und so reifte die Überlegung, zum dritten Mal einen Schlauchturm zu errichten. Er sollte an der Bäumerstraße stehen, dort, wo die Kerckhoffschen Karpfenteiche gerade aufgesandet wurden. Das Gelände sollte aus Kostengründen sowohl der städtischen Feuerwehr als auch dem Zweckverband Kreisschlauchpflegerei zur Verfügung gestellt werden. Letzterer war 1948 von den Gemeinden des Kreises gegründet worden, um die Feuerwehrschläuche gemeinsam zu kaufen und im Schlauchturm zu pflegen.

 

Im November 1956 legte das Stadtbauamt einen entsprechenden Bauplan vor. Demnach sollten für die Feuerwehr ein Feuerwehrgerätehaus und ein Mehrfamilienhaus für Feuerwehrleute errichtet werden, für den Zweckverband hingegen eine Kreisschlauchpflegerei mit Schlauchwaschanlage und Schlauchturm. Um die bis zu 20 Meter langen Schläuche gerade zum Trocknen aufhängen zu können, musste der Turm eine Höhe von gut 25 Metern haben. Würde man die Schläuche geknickt trocknen, entständen Sollbruchstellen. Entsprechend musste auch das Becken der Waschanlage, in dem die Schäuche nach ihrem Einsatz von Sand und schlamm gereinigt werden mussten, über 20 Meter lang sein. Der Anteil der Stadt sollte bei 115.000 DM liegen, der des Zweckverbandes bei 123.000 DM.

 

Von Anfang an versuchte man, die Kosten so niedrig wie nur irgendwie möglich zu halten. Man fürchtete, den Zweckverband durch eine zu hohe finanzielle Belastung in seinem Fortbestehen zu gefährden. Entsprechend intensiv bemühte man sich um Beihilfen und Darlehen. Sie kamen schließlich von dem Zentralfonds der Feuerschutzsteuer, von der Landschaftlichen Brandkasse, der Feuerunfallzusatzkasse und der (durch die Gewerbesteuern der Ölraffinerie seit kurzem liquiden) Gemeinde Holthausen. Den Baugrund überließ die Stadt dem Zweckverband nach Erbbaurecht auf 99 Jahre.

 

Im März 1957 stimmte der Zweckverband dem Bauvorhaben zu, im Mai entschied sich die Stadt für den inzwischen in Lingen ansässigen Architekten Schellmann (der auch für den aktuellen Umbau der Wilhelmshöhe verantwortlich zeichnete), und im Juni unterschrieb er seinen Vertrag. Anfang 1958 begannen die Bauarbeiten. Da glaubte man noch, bis Ende des Jahres fertig zu sein. Doch es kam zu Verzögerungen.

 

Die Stadt drang auf eine Erklärung und forderte wiederholt eine genaue Kostenübersicht. Im September 1958 berichtete Schellmann schließlich, dass der Finanzierungsrahmen nicht eingehalten werden kann. Grund war die Bodenbeschaffenheit des Geländes. Eigentlich hatte man für den Turm nur eine Brunnengründung in acht bis zehn Metern Tiefe geplant. Doch wegen einer dicken Faulschlammschicht in 13 Metern Tiefe musste schließlich eine 16 Meter tiefe Stahlbetongründung durchgeführt werden. Auch für den Turmbau selbst musste Stahlbeton verwendet werden. Vor allem deshalb entstanden Mehrkosten von 55.000 DM – deutlich mehr als der Jahreshaushalt des Zweckverbandes. Auf den Vorwurf, viel zu spät über die Probleme zu berichten, antwortete Schellmann, er habe zunächst gehofft, die Mehrkosten anderweitig ausgleichen zu können. Die tatsächliche Kostenhöhe sei erst seit kurzem bekannt und habe ihn und den beteiligten Geologen gleichermaßen überrascht.

 

In dieser dann doch recht gereizten Stimmung wurde am 10. Oktober 1958 die Grundsteinlegung und das Richtfest gefeiert – aus Kostengründen an einem gemeinsamen Termin und im kleinen Kreis. Für die Feuerwehr und den Zweckverband wurden je eine Urkunde eingemauert. Danach drängte aber die Frage, wie die Mehrkosten finanziert werden könnten. Der Vorschlag, sich das Geld einfach vom Architekten Schellmann zu holen, setzte sich nicht durch, zumal der seine Unschuld beteuerte. Schließlich gelang es dann doch, die Finanzierung zu sichern, wenn auch unter großen Schwierigkeiten.

 

Die Bauarbeiten gingen indes auch weiterhin nur schleppend voran. Der im Architektenvertrag als Übergabetermin festgelegte 1. November verstrich. Im April 1959 berichtete Schellmann endlich, die Arbeiten seien nun weitgehend abgeschlossen. Er wurde aufgefordert, die Anlage bis zum 1. Mai schlüsselfertig zu übergeben. Doch auch dieser Termin verstrich. Erst am 27. September 1959 erfolgte die offizielle Einweihung.

 

Die Stadt prüfte derweil rechtliche Schritte gegen den Architekten einzuleiten. Doch das Rechtsamt riet davon ab. Zwar hatte Schellmann die Baumassen zum Teil nur sehr grob geschätzt, das hatte letztlich aber keinen nennenswerten Schaden verursacht. Den Architekten traf also keine Schuld, und ein Rechtsstreit hätte kaum Aussichten auf Erfolg gehabt. Und so lässt sich nur wiederholen, was Stadtbaumeister Heikämper damals schon sagte: Ohne die Mehrkosten stände der Turm heute schief.

 

 

 

Quellen und Literatur

  • StadtA LIN, Bürgerservice, Nr. 241, Nr. 578-580, Nr. 649.
  • StadtA LIN, Fotoserien, Nr. 678, Nr. 738.
  • StadtA LIN, Glasplattensammlung, Nr. 7 (G10).
  • StadtA LIN, Lingener Volksbote vom 13.10.1958 und vom 28.9.1959.
  • Schwarz, Karl-Heinz (Hg.): 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr – Ortsfeuerwehr Lingen (Ems). Historische und aktuelle Entwicklung des Brandschutzes der Stadt Lingen (Ems), Lingen (Ems) 1991.

 

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