Archivalie des Monats Juni 2019

von Mirko Crabus

Der erste, der auf dem Grundstück der späteren Wilhelmshöhe baute, war der aus den Niederlanden stammende Jurist Johann Daniel Steenstra Toussaint. Um 1820 zog er zusammen mit seiner Frau Jannige, einer geborenen Bronk, in ein hier errichtetes Wohnhaus ein. Doch ihr Aufenthalt währte nur kurz. 1825 starb Jannige, und Johann Daniel verließ kurz darauf die Stadt. Bereits 1826/27 befand sich das mit 600 Reichstalern bezifferte Grundstück am Mühlenbach im Besitz des reitenden Försters Eberhardt. Nach Eberhardts Tod ging es an seine Frau, eine geborene Meyer, und ihre beiden minderjährigen Kinder über.

1844 erfolgte, noch während die Witwe Eberhardt hier wohnte, die Zwangsversteigerung. Zu dem Landwesen gehörten zu diesem Zeitpunkt neben Wohnhaus und Nebengebäude rund 1,7 Hektar Land, namentlich ein Garten, ein Ackerkamp, ein kleineres Stück Ackerland und ein mit Holz bestandener Berg. Letzterer verlieh dem Grundstück schon früh den Namen „die Höhe“. Der Gesamtwert der Immobilien wurde auf 1801 Reichstaler geschätzt. Laut Anzeige im Lingenschen Wochenblatt erschien der Besitz „auch zum gewerblichen Betriebe wegen des nahen Mühlenbachs besonders geeignet“. Dennoch verliefen die drei angesetzten Versteigerungstermine enttäuschend. Schließlich wurde das Grundstück für 1300 Reichstaler verkauft, kaum mehr als zwei Drittel der anvisierten Summe. Der Käufer war Heinrich Wilhelm Hungelmann.
Hungelmann stammte aus einer wohlhabenden Lingener Bürgerfamilie. Sein Vater Anton Heinrich Hungelmann war Kaufmann und bekleidete, nachdem Lingen 1824 eine neue Stadtverfassung erhalten hatte, zwölf Jahre lang eines der beiden Senatorenämter. Das Elternhaus lag am Marktplatz an der Ecke zur Clubstraße. Wilhelm Hungelmann heiratete schließlich die sieben Jahre jüngere Elisabeth Löning. 1838 übernahm Wilhelm Hungelmann von seinem Vater die Burgstraße 26. 1842 saß Hungelmann erstmals im Bürgervorsteherkollegium.

Es war Hungelmann, der die bis dahin private Landbesitzung in einen Volkspark umgestaltete, für den sich bald der Name Wilhelmshöhe etablierte. Hungelmann kaufte weitere Grundstücke hinzu, ließ künstliche Erdwälle und Hügel aufwerfen und einen vom Mühlenbach gespeisten Teich anlegen. Schließlich wurde das Gelände mit zahlreichen Bäumen bepflanzt. Auf einem der Hügel wurde 1845 ein einstöckiges Gesellschaftsgebäude mit Gastwirtschaft und Clubzimmer errichtet. Bei Umbauarbeiten 1997/99 fand man in einem Hohlraum im Mauerwerk einen Richtspruch: „Der Bauher möchte jetz[t] bekunden, op uns das werk auch wohl gelungen, drum frage ich den Bauher[n] mit frischen mut, ob ihm die[ser] Bau gefallen tut.“ Als sich Wilhelm und Elisabeth Hungelmann 1847 ins Hypothekenbuch eintragen ließen, umfasste ihr Besitz rund 2,6 Hektar. Nach weiteren Erwerbungen waren es 1855 schließlich etwa 6,25 Hektar.

Wilhelm Hungelmann bewirtschaftete die Höhe nur wenige Jahre selbst. Bereits ab 1857 übernahmen Pächter den Betrieb. Das Wohngebäude brannte ab, und es entstand ein Schaden von über 1000 Talern. Unter Leitung des Maurermeisters Gerhard Lühn wurde jedoch schnell wieder aufgebaut und auch das angrenzende Gesellschaftsgebäude erweitert. Schon im August konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden.

1873 verkaufte das Ehepaar Hungelmann die Wilhelmshöhe für 8000 Reichstaler an den Meppener Zimmermeister Friedrich Hartmann und seine Frau Adelheid geb. Hilling. 1876 wurde der große Saal erweitert, außerdem einen Schießstand und spätestens jetzt auch eine Kegelbahn anlegen. Doch schon bald suchte man nach einem neuen Käufer. Die Wilhelmshöhe wurde dem Bonifatius-Krankenhaus als Sitz angeboten, dem jedoch der Weg in die Stadt zu weit war. Schließlich verkaufte die nunmehr verwitwete Adelheid Hartmann 1878 für 39.000 Reichsmark an den Münsteraner Privatier Carl Rudolf Höfer und seine Frau Anna Vogedes. Beide zogen hier auch ein, überließen den Betrieb aber weiterhin dem Pächter.

 

Auch das Ehepaar Höfer war schließlich finanziell überfordert. 1903 verkauften sie für 52.500 Reichsmark an die Gütersloher Brauerei AG. Damit ging zugleich eine Verkleinerung des Geländes einher, denn der neue Eigentümer wurde verpflichtet, rund 3000 Quadratmeter im Norden des Parks für den Bau der Kleinbahn Lingen-Berge-Quakenbrück abzutreten. Nun wurde auch ein sicherer Fußweg zur Innenstadt angelegt. Der alte Weg war schmaler gewesen und hatte für einen Betrunkenen in dunkler Nacht durchaus eine Herausforderung dargestellt. 1907 wurde der 1895/96 errichtete Schießstand durch einen neuen ersetzt und ein Musikpavillon errichtet. Nicht zuletzt enstanden ein Kegelbahngebäude und zwei Tennisplätze. 1912 wurde mehrmals im Restaurationslokal der Wilhelmshöhe eingebrochen. Die Ladenkasse wurden geleert, Spielkarten, Zigarren und Zigaretten geklaut. Als Täter konnte man schließlich einen Malermeister und seinen Bruder ausmachen. 1913 übernahm ein neuer Pächter die Höhe: Der Bildhauer Heinrich Lobenberg stammte aus Münster und bemühte sich bald um eine Ausweitung des Betriebs. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges setzte seinen Plänen ein Ende. Die Wilhelmshöhe wurde nun als Lazarett genutzt. In den 1920er Jahren war auch Lobenberg, inzwischen Eigentümer der Höhe, zunehmend finanziell überfordert. 1925 wurde Heinrich Essmann als neuer Pächter verpflichtet. Ein Jahr später kaufte die Stadt die Wilhelmshöhe auf.

Quellen und Literatur
– NLA OS, Amtsgericht Lingen, Nr. 674, Nr. 675, Nr. 676.
– Stadtarchiv Lingen, Altes Archiv, Nr. 318, Nr. 817 (Eintrag Nr. 18), Nr. 3822 (S. 90).
– Stadtarchiv Lingen, Fotosammlung, Nr. 2550.
– Stadtarchiv Lingen, Karten und Pläne, Nr. 299.
– Stadtarchiv Lingen, Lingensches Wochenblatt und Lingener Volksbote.
– Stadtarchiv Lingen, Zeitschriften, Nr. 61 (Bl. 182).
– Crabus/Meyers: Die Burgstraße in Lingen, Teil 1 und 2, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 65 (2019) und (in Planung) 66 (2020).
– Lengerich, van: Geschichte und Bedeutung der Lingener Wilhelmshöhe, in: Kivelingszeitung 1999.
– Rosemann: Die bauliche Entwicklung und der Umbau der Wilhelmshöhe 1997 bis 1999, in: Kivelingszeitung 2002.
– Timmer: Die Geschichte der Wilhelmshöhe, in: Kivelingszeitung 1931.

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