Archivalie des Monats Februar 2016

von Dr. Mirko Crabus

Bevor die Alte Posthalterei die Post beherbergte, war sie das Wohnhaus von Albert Pontanus. Davor stand an ihrer Stelle das Gasthaus Roskamp. Das war das Thema der Archivalie des Monats Juni 2015. Doch nicht nur die Alte Posthalterei hat eine interessante Geschichte. Auch die anderen Häuser der Großen Straße blicken auf eine mitunter lange Vergangenheit zurück. Abgabenverzeichnisse und Adressbücher geben noch heute Zeugnis von den damaligen Hausbewohnern. Da sie nicht geschlossen vorliegen, bleiben die Jahresangaben jedoch in der Regel nur Näherungswerte. Auch Baunachrichten enthalten die Register in der Regel nicht. So konnte es durchaus zum Neubau ganzer Häuser kommen, ohne dass die Verzeichnisse es dokumentieren. Das Stadtarchiv Lingen startet mit der heutigen Archivalie des Monats eine dreiteilige Serie über ausgewählte Häuser der Großen Straße seit dem 17. Jahrhundert.

Zum Nachbarhaus der Alten Posthalterei, Große Straße 3, gehören um 1700 zwei Vorkammern und ein Hinterhaus. Spätestens ab 1686 befindet es sich im Besitz des Korporals Herman Heemsen. Seit etwa 1712 bewohnt er selbst jedoch nur noch eine der Kammern, im Haupthaus wohnen erst Albert, dann Michel Zeppenfeld. Beide scheinen hoch verschuldet gewesen zu sein. 1733 ist die Nachbarin Witwe Pontanus Eigentümerin von Zeppenfelds Haus. Als elterliches Erbe fällt es schließlich an den Justizdirektor Carl Pontanus und seine Frau Christine von Leewen. Diese verkaufen das Haus 1752 mitsamt dahinterliegendem Brauhaus für 860 Gulden an den Chirurgen Johan Conrad Schröder und seine Frau Johanne Wilhelmine Metternacht, die es 1774/77 für immerhin noch 500 Gulden weiterverkauften an die Eheleute Ernst Telgmann und Fenne Stapel. Ab etwa 1790 betreibt die Familie Narjes hier eine Gastwirtschaft. Danach geht das Haus um 1813 an den Kaufmann Ludwig Langschmidt, dann um 1835 an den Untervogt Friedrich Stübe. Am 17. Oktober 1842 brennt das Gebäude ab. Stübe läßt es zwar wieder aufrichten, verkauft es aber um 1849 an Ludwig Langschmidt zurück. 1862 bis 1878 befindet es sich dann im Besitz eines gewissen Hovestadt. Zwischen 1890 und 1913 besitzt der Kaufmann Eduard Cohen das Haus. In dieser Zeit lassen sich hier auch der Lehrling A. Simon und der Lehrer L. Levy belegen. Spätestens 1917 richtet der Kaufmann Wilhelm Roth hier ein Mode- und Manufakturwarengeschäft ein, das bis in die 1960er Jahre besteht. In den 80er und 90er Jahren befindet sich hier das Schuhgeschäft Hilbers.

An das Haus Große Straße 3 schließt sich das Haus Nr. 5 an. Ursprünglich im Besitz von Jan Stickels, verkauft es die Witwe Schoeff 1665 mitsamt Kammer an Engelbert Schoeff, der wiederum nur sechs Jahre später an Jan Wolters weiterverkauft. Nach seinem Tod streiten sich 1688 seine Söhne – einer von ihnen befindet sich gerade in Ungarn im Krieg – mit ihrer Schwiegermutter um das Erbe. Da der Prozess schon viel Geld gekostet hat, will man sich endlich einigen. Schließlich übernimmt vor 1700 Herman Reinders (Reinerts) das Haus, dann der Brauer Johan Schrader. Um 1755 geht es auf Dr. Heinrich zur Eyck und seine Frau Hendrina Maria geb. Velthaus über, dann um 1788/90 auf einen gewissen Wesseling. 1795 erscheint es erstmals im Besitz der Familie Narjes, die schon das Nachbarhaus Nr. 3 besitzt. 1816/17 wohnt hier die Familie Henr. Gosmann. Spätestens 1833 befindet sich das Haus dann im Besitz des Kupferschmied Hermann Bernhard Schmedding. Auch sein Haus brennt 1842 ab und muss wiederaufgebaut werden. Schmeddings gleichnamiger Sohn übernimmt das Geschäft. Als dieser 1901 stirbt, bleibt das Haus zunächst im Besitz der Familie. Spätestens 1921 ist auch hier Wilhelm Roth Besitzer. 1958 wird dem Gebäude Große Straße 3/5 eine moderne Fassade vorgehängt, 1973 verfügt die Stadt den Abriss des alten Gebäudes.

 

Haus Nr. 9 war Sitz der Lingener Tagespost

Zwei Grundstücke weiter, in der Großen Straße 9, hatte wohl schon 1673 Bernd Uhlenberg sein Haus, um 1727 dann Jan Uhlenberg. 1731 verkaufen die neuen Besitzer – der Meppener Bürgermeister Gerhard Willebrand und seine Miterben – das große Haus an Gerrit Janssen, der wie es heißt, den Mühlenwagen fuhr, und seine Frau Margarethe Heitgreß. Um 1755 geht es dann erst an seinen Schwiegersohn Frid. Schmitz, dann an Boldewin Schmitz, der hier eine Bäckerei einrichtet. Im 18. Jahrhundert erfolgt wohl auch der Neubau als ein eineinhalbgeschossiges Fachwerkhaus. 1790/95 erscheint ein Ratsherr Schmitz als Besitzer. Um 1797 übernimmt der knapp 35jährige Branntweinbrenner Nicolaus Determann mitsamt Familie das Haus und bleibt hier zeit seines Lebens wohnen. Erst um 1846 geht das Haus an Determanns Erben. Diese überlassen es um 1855 dem Buchbinder Johann Ferdinand Zimmermann. Spätestens 1890 hat der Uhrmacher Karl Erdbrinck hier seinen Laden. Noch vor 1925 – einmalig in diesem Jahr erscheinen hier auch das Herrenkonfektions- und Schuhwarengeschäft Hieronymus Hanauer Söhne sowie eine sogenannte „Erdbrincksche Kapelle“ – übernimmt Fritz Erdbrinck das Uhrmacher- und Schmuckgeschäft. Später führt Hildegard Erdbrinck den Betrieb fort. 1970 lässt die Neue Osnabrücker Zeitung das Gebäude zur Geschäftsstelle „Lingener Tagespost“ umbauen.

Abb. 1: Der Manufakturwarenladen von Willhelm Roth in der Großen Straße Nr. 3/5 um 1950. (Stadtarchiv Lingen, Fotosammlung, Nr. 12126)

Abb. 2: Blick in die Große Straße im Jahr 1981. Rechts vorne das Haus Nr. 9, damals Sitz der Lingener Tagespost. (Stadtarchiv Lingen, Fotosammlung, Nr. 1411)

 

Das älteste Bürgerhaus in Lingen

Das Gebäude Große Straße 6 ist das älteste bekannte Bürgerhaus der Stadt Lingen. Nach dem Stadtbrand von 1548 wird es um 1559 errichtet. Es ist ein großes, zweistöckiges Giebelhaus aus Backstein, dem nahegelegenen Alten Rathaus nicht unähnlich. Vielleicht handelte es sich um das Geschäftshaus eines reichen Kaufmanns. Kaum zehn Jahre später errichtet er hinter seinem Haus und zur Schlachterstraße (Nr. 13) hin ein großes Lagergebäude mit runden Einfahrtstoren. Später ist das Haus als Hugenshaus bekannt. Von Beata Catrina Hugen geht das Haus auf ihre Tochter Berendina Spinckelinck über. Deren Witwer Abraham Regter verkauft das Haus 1721 an den Kaufmann und Ratsherrn Rudolph Hoorn (bis 1755 belegt) und seine Frau Bardina Wildrix. Ihnen folgt die Witwe Klinge (ca. 1764-1781). Von den Erben Klinge erwirbt Witwe Anna Aleida Buchler geb. von Hoff 1783 das Haus, behält es jedoch nicht lange. Noch vor 1788 richtet sich hier nämlich der Bäcker Johann Christiani ein. 1817 ist er 74-jährig letztmalig nachweisbar. Das Haus geht nun auf den Schankwirt Jacob Schlamann (ca. 1825-1835) über, dann auf den Fabrikanten Joseph Veldmann (ca. 1835-1838), schließlich auf den Brauer Heinrich Müller (ca. 1838-1862). Ihm wiederum folgt der Schlachtermeister Johann Meyer. Spätestens 1905 übernimmt Wilhelm Körner die Schlachterei, zu der damals auch ein angebauter Stall sowie ein als Schweinestall oder Abort bezeichnetes Gebäude gehörte. Eine Bauskizze des Hinterhofes von 1924 zeigt zwei Schweineställe, einen Kuhstall (für eine Kuh), zwei Aborte und eine Räucherei. 1927 wurde die Außenmauer erneuert.

 

Aron Markreich betreibt ein Textilgeschäft

Schräg gegenüber, auf dem Grundstück Große Straße 11, wohnt zunächst wohl Christopher Schmits (ca. 1669-1699), danach der Schmied Jan Propstinck (ca. 1700-1727). In der dazugehörigen Kammer lassen sich außerdem die Juden Peter Meulenkamp (1714) und Nathan Salomon (1727-1729) belegen. Von 1729 bis 1766 – inzwischen wird es als ein großes Haus mit zwei Kammern beschrieben – erscheint hier der Zimmermann Jan Brunswyck. Ab 1772 erscheint ein gewisser Ruping sen. als Besitzer; eine Kammer vermietet er, die zweite steht zunächst leer und verschwindet dann ganz aus den Quellen. Durch Helena Schröder geb. Ruping geht das Haus um 1809 an den Blaufärber Ignaz Schröder. 1817 erscheint hier dann ein Jan Schröder. Dessen Frau Euphemia ist ebenfalls eine geborene Ruping. Um 1847 geht das Haus von den Erben Schröder auf Lambert Schröder über, um 1860 dann von dessen Witwe Lisette auf die Familie Fickers. 1895 lässt sich erstmals der Kaufmann Aron Markreich belegen, der hier ein Textilgeschäft betreibt. Drei Jahre später wird seiner Frau Auguste und ihm der Sohn Fredy Markreich geboren, der das Geschäft nach dem Tode der Eltern weiterführt. 1921 wird das wohl aus dem 18. Jahrhundert stammende Gebäude aufgestockt und erhält eine neue Fassade. Nach dem Verkauf des Hauses an seinen Nachbarn Droop (Große Straße 13) wird Fredy Markreich am 11. November 1938 von der SS abgeholt und nach Buchenwald deportiert. 1939 migriert er nach Liberia. Bis in die 1970er Jahre befindet sich das Haus im Besitz von Fritz Droop. Hier unterhält zunächst Hans Jansen eine Gastwirtschaft, dann Hans-Gerd Bauer eine Konditorei. Das Café Bauer besteht bis Anfang der 1990er Jahre. Bis 2013 befindet sich hier das Damenmodegeschäft Korte.

 

Das Schuhgeschäft August Albers

Weiter die Straße hinauf liegt die Große Straße 18, ursprünglich ein Nebenhaus zur Großen Straße 14/16. 1702 befindet sie sich im Besitz des Prokurators Hotze, dann ab etwa 1766 seiner Erben, ab etwa 1785 der Jungfer Hotze. Sie alle wohnen hier nicht, sondern vermieten das Haus an hochstehende Persönlichkeiten, etwa an Dr. Mollfanger, den Professor und Rektor H. Storck, den Kanzleidirektor Heinen, den Kriegsrat von Stille, den Professor Temicke und den Oberempfänger Lucassen. Um 1800 mietet sich auch Professor Friedrich Heidekamp mit Frau und Magd ein und bleibt für gut 20 Jahre. 1827 verkauft Jungfer Hotze schließlich an Theodor Scharff, um 1838 geht das Haus schließlich auf August Hülster, Lehrer am Georgianum, über. In den 1890er Jahren erscheint der Fotograph Fritz Hüsig im Haus. 1905 lässt sich dann erstmals August Albers nachweisen. Er richtete hier ein Schuhwarengeschäft ein, das noch heute besteht. 1946 wurde das Gebäude aufgestockt, 1978 umgebaut.

Abb. 1: Das Schuhgeschäft August Albers in der Großen Straße 18. (Stadtarchiv Lingen)

Abb. 2: Die Große Straße 11 im Jahre 1963. Das linke Schaufenster trägt den Schriftzug „Droop“. (Stadtarchiv Lingen)

Große Straße Nr. 23

Das letzte Haus der Großen Straße (Nr. 23) ist ein Eckhaus und grenzt zugleich an die Kivelingsstraße und die Kirchstraße an. Um 1650 wird es als Fachwerkhaus auf kleinem, schiefwinkligem Grundriss errichtet. 1683 verkauft Gerdt Haene es an einen gewissen Henrick de Campo. Danach schweigen die Quellen wieder. Erst 1748 ist hier die Witwe des Hofrates Terlinden belegbar. Aus ihrem Erbe fällt das Haus 1754 an den Lathener Richter Kock, dessen Erben es 1770 an Prof. Slegtendahl verkaufen. Von 1778 bis 1804 erscheint hier eine Jungfer Slegtendahl. Spätestens 1825 befindet sich das Haus im Besitz des Bäckers Bernhard Lucas. Der neue Besitzer Christoph Oettker (ca. 1831-1840) ließ um 1836 neue Dachkammern errichten. 1842 erscheint seine Witwe in dem Haus, dann der Wirt Hermann Laurentius Siebels (ca. 1844-1856). Um 1862 geht es dann auf Johann Kamp über, der bis 1878 nachweisbar ist. 1895 ist erstmals der Schlosser Heinrich Richtering belegt. In den späten 1920er Jahren unterhielt ein Heinrich Richtering hier eine Fisch- und Gemüsehandlung. Für 1938 lässt sich die Schlachterei Hermann Rühl belegen. 1945 fährt ein englischer Panzer eine Ecke des Gebäudes ein. Der zerstörte Giebel wird 1948 wiederaufgebaut, das Haus selbst zur Straßenverbreiterung drei Meter zurückversetzt. Von dem Umbau zeugen auch die Balkeninschriften: „Neue Häuser, neuer Raum mögen sich gestalten. Der Erinnerung schönster Traum hängt doch an dem Alten.“, sowie links „Erbaut um 1650“ und rechts „umgebaut 1948 Stadtbauamt Lingen“. Rudi Mitze führt hier nun ein Textil- und Modehaus. Ein Textilgeschäft befindet sich hier auch noch in den 90er Jahren.

Dem Eckhaus vorgelagert ist die Große Straße 21. Auf deren Grundstück befinden sich ursprünglich drei Häuser. In dem rechten Haus wohnt 1686 Jan Egbers, gefolgt von Egbert Egbers (ab 1700) und Catharina Egbers (ab 1727). 1733 bis 1748 gehört es Jan Lemmer. Dann kaufen es der Nachtwächter und Schuhflicker Gerrit Barloh und seine Frau Aleid Wilde. Das mittlere Haus – eher ein Häuschen – bewohnt zunächst die Witwe Beckinck, ab 1729 dann der Kuhhirte Bernd Gösing. Von seiner Witwe geht das Haus um 1772 auf den Nachbarn Barloh jun. über. Seitdem gilt es als sein Nebenhaus. Wohl erst der Enkel Barloh verkauft beide Häuser um 1810 an den Tagelöhner Johann Gerd Corves. Das dritte, wohl größte Haus gehört 1748 der katholischen Devotesse Jungfer Flakinck. Nach ihrem Tod übernehmen 1766 ihre Erben das Haus und verpachten es, etwa an Bürgermeister Badenius, den Regierungsrat Warendorf, den Professor Wandenburg oder den Assessor Dr. Elias von Schillinck. Von Haus Nr. 19 zugezogen, wohnt von 1813 bis 1829 Otto Vehr hier. Dann übernimmt der Höcker und Bäcker Hermann Kamp das Haus, läßt es abbrechen und neubauen. 1835 übernimmt er von Corves auch das Nachbarhaus mitsamt dazwischenliegendem Beihaus. Auch sie läßt er abreißen und Nebengebäude errichten. Um 1868 gehen die Immobilien auf Johann Kamp über, der bereits die Große Straße 23 besitzt. Um 1900 bis 1913 war dann Kaufmann Wilhelm Evers der Besitzer. Danach befindet sich hier die Schenkwirtschaft Gudehus (1917 bis nach 1938) und in den 1960er und 1970er Jahren die Maßschneiderei Landahl.

Die Große Straße 22

Die Große Straße 22, das Eckhaus zur Kivelingstraße auf der anderen Straßenseite, hingegen wird bereits 1748 als ein großes Haus beschrieben, in dem der Kaufmann Berend Witte lebt (bis 1764). Nach ihm geht das Haus auf Philipp Christiani (1766-1797) über, auf den der heutige Fachwerkbau zurückgehen dürfte, dann auf Werner Christiani (1800-1810), schließlich auf die damals 76jährige Witwe Louise Christiani (ab 1813). Von einer anderen Witwe Christiani, wohl der inzwischen 59jährigen Margarethe, geht das Haus 1842 schließlich an den Sattler Ernst Schröder, der es umgehend renovieren lässt. Das Haus übernimmt um 1890 der Sattler und Auktionator Georg Schröder (bis 1913). Spätestens 1925 befindet sich hier dann die Autowerkstatt von Christian Hundertmark, der zunächst auch Nähmaschinen vertreibt. 1933 wird das Haus um ein Dachgeschoss erweitert. In den 70er Jahren richtete Johannes Feiling hier ein Strickmodengeschäft ein. Die Niederlassung des Modehauses Huesmann schloss 2014.

Abb. 1: Blick in die Große Straße um 1890. Rechts vorne das Eckhaus Nr. 22, damals Möbelhandlung E. Schröder. (Stadtarchiv Lingen)

Abb. 2: Das Modenhaus Mitze in der Großen Straße 23. (Stadtarchiv Lingen)

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