Archivalie des Monats Mai 2024

von Dr. Mirko Crabus

Der Name Holthausen ist durchaus häufig anzutreffen. Gleichnamige Ortsteile gibt es etwa in Meppen und Steinfeld. Die Zuordnung früher Urkundenbelege gestaltet sich entsprechend schwierig. Ein im 11. Jahrhundert erwähntes „Holthuson“ dürfte das Meppener Holthausen meinen. 1279 lässt sich ein Knappe Gerhard von Holthausen belegen, 1285 ein Knappe Werner von Holthausen, 1330 dann ein Wolter von Holthausen, doch bleibt unklar, ob sie auch im Lingener Holthausen begütert waren. Der erste sichere Nachweis fällt in das Jahr 1346, als Graf Otto von Bentheim seinen Dienstmann Hermann von Langen von Holthausen mit einer Wohnung in Holthausen im Kirchspiel Lingen belehnte, und zwar mitsamt dem dortigen Hof und Zubehör. Ursprungskern der Siedlung dürfte dieser Hof Holthausen (heute Hof Weß) gewesen sein, der sich schließlich zu einem landtagsfähigen Rittersitz entwickeln sollte. 1550 wohnte hier Serck tho Holthusen. 1661 erscheint als neuer Besitzer Johann Bordewick, Erbgesessener zu Holthausen. 1696 ist Assinga v. Maneel, Assessor am Lingener Appellationsgericht, der Herr des Gutes Holthausen. Dessen Tochter heiratete 1732 Gerhardus Jodokus Flaginck, der 1740 in den Adelsstand erhoben wurde. Über die Ziehtochter Fanny von Wiedenbrück fiel das Gut schließlich an Hermann Heinrich West (Weß) aus Wachendorf (Verlobung 1813). Der alte Rittersitz wurde 1840/42 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.

Die Bauerschaft Holthausen war vergleichsweise unbedeutend. In der von 1555 bis 1592 geführten „Beschrivinge“ werden lediglich drei Vollerben und zwei Halberben aufgeführt, dafür aber sieben Brinksitzer. Sie alle waren dem Landesherrn eigenhörig.

Erste Hinweise auf den Holthausener Schützenverein St. Hubertus stammen aus dem 17. Jahrhundert. Eine Schützenplakette nennt das Jahr 1612 und das Königspaar J. Bernhard Preun und M. A. Albers, eine weitere Plakette das Jahr 1695. Ab etwa 1871 fehlen Schützenplaketten, 1903 wurde der Verein neu gegründet. Etwas überraschend feierte man 1926 das 300jährige Bestehen. Die in diesem Rahmen eingeweihte Fahne führt die Jahreszahlen „1695-1925“.

Auf eine katholische Schule ohne feste Lokalität folgte 1710 die Einstellung eines reformierten Lehrers. 1818 schlossen sich Biene und Holthausen zu einem Schulverband zusammen. Der Unterricht fand in Biene statt, bis Holthausen 1911/12 eine eigene Schule einrichtete. 1921 eröffnete außerdem eine landwirtschaftliche Fortbildungsschule. Ab etwa 1820 enstand im Ochsenbruch die Siedlung Neuholthausen. Die Einwohnerzahl stieg infolge dessen von 185 (1816) auf schließlich 234 (1885). Im Ersten Weltkrieg hatte Holthausen sechs Gefallene zu beklagen. Dass ein 1920 errichtetes Ehrenmal den Namen eines Holthausener Knechts ignorierte, weil er in Lingen geboren war, führte zu entsprechender Kritik.

Das NS-System im Dorf beschrieben Zeitzeugen als funktionsfähig. Alle wichtigen Ämter waren von Einheimischen besetzt, die das System unterstützt hätten. Die NSDAP-Ortsgruppe Holthausen-Wachendorf wurde von Johannes Kanne aus Wachendorf geleitet. Der Schützenverein führte im Mai 1934 das Führerprinzip ein. Das Bürgermeisteramt war indes von Unbeständigkeit geprägt. Während des Zweiten Weltkriegs waren in Holthausen russische und polnische Zwangsarbeiter im Einsatz. Untergebracht waren sie unter anderem in einer Scheune des Bauern Foppe. Als die Front näher rückte, suchten zahlreiche Lingener und Altenlingener auf dem Hof Holt Zuflucht. 1959 wurde eine „Kriegergedächtnisstätte“ mit einer überlebensgroßen St. Michaelsfigur errichtet. Verzeichnet sind die Namen von 22 Gefallenen und 13 Vermissten.

Nach Kriegsende stiegen die Einwohnerzahlen – nicht nur wegen des Zuzugs von Flüchtlingen und Vertriebenen, sondern auch wegen der ab 1950 gebauten Ölraffinerie, die im Jahre 1958 immerhin 1300 Arbeitsplätze anzubieten hatte. Die Steuereinnahmen machten die Gemeinde plötzlich wohlhabend. Der Haushalt wuchs von 13.500 DM (1952) auf über 3 Millionen (1958). Neue Siedlungen entstanden. Eine Kläranlage, ein neues Schulgebäude und ein Kindergarten wurden gebaut. Im Bereich der Josef-Wolke-Straße wurde ein neuer Ortskern angelegt und an der Biener Straße Gewerbebetriebe, ein Lebensmittelmarkt und eine Gaststätte angesiedelt.

Als weit über die Grenzen Holthausens hinausweisendes Prestigeprojekt betrieb man außerdem die Gründung des Ludwig-Windthorst-Hauses, einer katholischen Erwachsenenbildungsstätte. Die Gemeinde stellte der Diözese Osnabrück dafür ein Grundstück und ein Aufbaukapital zur Verfügung, wie es den umliegenden Gemeinden kaum möglich gewesen wäre. 1959 wurde der Grundstein gelegt, doch gerieten die Bauarbeiten ins Stocken, als die Raffinerie wegen eigener Investitionen plötzlich weniger Steuern zahlen musste. Schließlich konnte am 25. August 1963 aber doch die Einweihung gefeiert werden. Erster Leiter des LWH wurde der spätere niedersächsische Umweltminister Werner Remmers.

Hatte man seit 1922 mit Biene eine gemeinsame Kirchengemeinde und war durch gemeinsame Vereine miteinander verbunden, begannen 1953 Gespräche über den Zusammenschluss zu einer Samtgemeinde. So wurde am 1. April 1965 die Samtgemeinde „Biene-Holthausen“ gegründet. Entsprechend wurden auch beide Volksschulen zusammengelegt, die 1968 ein gemeinsames Schulgebäude („Mittelpunktschule“) erhielten. Am 1. Januar 1970 erfolgte die Umwandlung zur Gemeinde „Holthausen“. Die Namensgebung wurde dabei durchaus intensiv diskutiert. Biene war der bevölkerungsreichere Partner, Holthausen hingegen hatte durch die Ölraffinerie deutlich höhere Einnahmen, und auch die Raffinerie selbst sprach sich für den Namen „Holthausen“ aus. Der Versuch, um Holthausen herum eine sogenannte „Nordgemeinde“ zu etablieren, war nicht erfolgreich. So entstand 1974 mit rund 2200 Einwohnern der Lingener Ortsteil „Holthausen-Biene“. Eine Bebauungsgrenze zwischen Holthausen und Biene ist heute kaum noch erkennbar.

 

Quellen und Literatur

  • StadtA LIN, Allg. Slg., Nr. 1284.
  • StadtA LIN, Fotosammlung, Nr. 1445, 1483, 2790.
  • StadtA LIN, Fotoserien, Nr. 418.
  • StadtA LIN, Schulchroniken, Nr. 35.
  • Adressbuch der Stadt Lingen, 1938.
  • Fickers, Manfred: Ortsteilporträt Holthausen-Biene, in: Kivelingszeitung 2020, S. 263-265.
  • Kirchengemeinde Sankt Marien Biene (Hg.): 75 Jahre Sankt Marien Biene 1922-1997. Beiträge zur Geschichte der kath. Kirchengemeinde Sankt Marien Biene, Lingen 1997.
  • Maschke, Romuald: Das Ludwig-Windthorst-Haus in Holthausen bei Lingen, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 11 (1964), S. 68-75.
  • Remmers, Werner/ Kloeppel, Walter: 10 Jahre Ludwig-Windthorst-Haus in Holthausen, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 20 (1973) S. 37-43.
  • Schriever, Ludwig: Geschichte des Kreises Lingen, Lingen a.d. Ems 1905/1910.
  • Schützenverein St. Hubertus e.V. Holthausen (Hg.): Festschrift zum 375-jährigen Jubiläum am 28. und 29. Mai 1987, Lingen-Biene 1987.
  • Schützenverein St. Hubertus e.V. Holthausen (Hg.): Festschrift zum 400-jährigen Bestehen 1612-2012, Lingen 2012.
  • Smolka, Reinhard: In einem Backhaus fing es an. Die Entwicklung der Schulen in Biene und Holthausen, Lingen (Ems) 1986.
  • Taubken, Hans: Die Beschrivinge der Niedergrafschaft Lingen. Ein landesherrliches Einkünfteverzeichnis aus den Jahren 1555 bis 1592 (Quellen und Forschungen zur Lingener Geschichte 2), Bielefeld 1999.

 

 

Abb. 1: „Grus aus Holthausen“. Großeltern, Eltern und Kinder vor dem Heuerhaus Kues, 1890.

 

Abb. 2: Die Erdölraffinerie bei Holthausen. Foto von 1974.

 

Abb. 3: Das 1963 eröffnete Ludwig-Windthorst-Haus

 

Abb. 4: Hof und Gastwirtschaft von Wilhelm Grove

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