Archivalie des Monats Dezember

von Dr. Stephan Schwenke

Bereits im Mittelalter wurde kontrollierte Fischzucht betrieben. Diese heute als Aquakultur bezeichnete Aufzucht von Fischen, Muscheln oder Krebsen gewinnt vor allem durch die zunehmende Überfischung an Bedeutung. Man unterscheidet bei der Fischzucht in verschiedene Verfahren. Das klassische und in Europa am weitesten verbreitete Aufzuchtsverfahren ist die Errichtung von Aquakulturanlagen in fließenden oder stehenden Gewässern unter freiem Himmel. In diesen Teichwirtschaften werden zumeist Karpfen, Schleien, Zander, Forellen oder Saiblinge gezüchtet. Man unterscheidet hier noch in der Aufzucht in stehenden oder fließenden Gewässern. Auch in Lingen hat es eine solche Teichwirtschaft gegeben.

1895 erste Laichanlage

Eine erste Anlage befand sich in der Nähe der ehemaligen Männerbadeanstalt. Die Stadt Lingen wandte sich 1894 an den Regierungspräsidenten in Osnabrück mit der Bitte, die Anlage einer Fischteichzuchtanstalt zu genehmigen. Dieses Gesuch und der Antrag auf eine Beihilfe von 250 Mark wurden 1895 genehmigt. Die Zuchtteich-Anlage scheint wirtschaftlich ertragreich gewesen zu sein, denn bereits ein knappes Jahr später wurde darüber beraten, ob man südlich der bereits fertig gestellten Anlage einen weiteren Fischteich errichten sollte. Auch dieses Ansinnen wurde von der Regierung genehmigt und für die Anlage eines Karpfenteiches eine Beihilfe von 300 Mark bewilligt. Die Stadt Lingen verpachtete die Anlagen an Privatpersonen, u.a. an das Fischereikonsortium Narjes und Jaffé, die dort Lachse züchteten. Als der Pachtvertrag auslief, ersuchte die Landwirtschaftskammer Hannover die Stadt Lingen, ihr die beiden Fischteiche zu verpachten, da man beabsichtigte die Lachzucht weiter auszubauen. Es zeichnete sich schnell ab, dass die Anlage aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht erweiterbar war. Aus diesem Grund bot die Stadt Lingen der Landwirtschaftskammer an, auf der Kuhweide auf der linken.

Lachse auf der städtischen Kuhweide

Seite des Kanals städtische Grundstücke für den Bau neuer Fischteiche zur Verfügung zu stellen. Ein entsprechender Pachtvertrag wurde am 22. Oktober 1906 geschlossen. Darin verpflichtete sich die Stadt Lingen, der Landwirtschaftskammer ein Grundstück auf der „städtischen Kuhweide in Grösse von etwa drei Morgen zur Herstellung von Fischteichanlagen“ zu überlassen. Der Pachtpreis betrug 50 Mark für den Morgen Land und sollte am 1. Oktober jeden Jahres an die Kämmereikasse der Stadt Lingen gezahlt werden. Die Pachtzeit lief zunächst bis zum 1. Oktober 1922. Gezüchtet wurden u.a. Karpfen und Forellen. Die Anlage wurde stetig erweitert. 1907 pachtete die Landwirtschaftskammer weiter 3 Morgen Land an, 1908 nochmals ein Grundstück zur Errichtung eines Wohnhauses nebst Nebengebäuden für den Fischmeister. Die wirtschaftliche Situation nach dem 1. Weltkrieg und die Kanalisation der Ems von Meppen bis Aschendorf führten dazu, dass die Landwirtschaftskammer die Zuchtanstalt verkleinern musste. Die Lachsbrutanstalt auf dem rechten Ufer des Kanals wurde 1929 an die Lingener Rudergesellschaft verkauft, die Anlagen auf der anderen Kanalseite beträchtlich verkleinert. Wirtschaftlich rentabel arbeitet die Fischzucht aber nicht mehr, die Anlagen verfielen immer mehr. Das Gelände wurde schließlich umgenutzt, im nördlichen Bereich entstanden Gartengrundstücke. 1963 baute schließlich die Stadt Lingen auf dem Gelände der ehemaligen Fischteiche das Emslandstadion.

 

Pin It on Pinterest

Share This
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner