Archivalie des Monats April 2011

von Dr. Stephan Schwenke

Mitte des 19. Jahrhunderts konnte die Stadt Lingen ihre Zentralstellung im hiesigen Raum wesentlich verbessern. Von besonderer Bedeutung hierfür war der Bau der Hannoverschen Westbahn von Rheine nach Emden sowie die damit verbundene Errichtung des Eisenbahnausbesserungswerkes. Mit dem Bau der Eisenbahnstrecke wurde 1852 begonnen. Damit traten für Lingen aber neue Schwierigkeiten auf, nämlich die Anlegung des Bahnhofes. Hierfür gab es drei Entwürfe, wobei zwei dieser Vorschläge die Trasse weit vor der Stadt hätten vorbeiführen lassen. Man einigte sich schließlich darauf, die Gleisanlage etwa 350m ostwärts vom Stadtzentrum, und damit westlich der Strafanstalt, entlangführen zu lassen. Die Regierung stimmte diesem Plan nach längeren Verhandlungen zu, verpflichtete aber die Stadt Lingen in einem am 5. Juni 1855 geschlossenen Vertrag dazu, einen geraden Zugangsweg vom Bahnhof zur Stadtmitte zu bauen. §2 legte fest, dass „dieser Zugangsweg (…) innerhalb Jahresfrist nach Eröffnung des Verkehrs auf der Eisenbahn nach der einen oder anderen Richtung vollendet sein (muß).“

Der Strückersche Hof ist im Weg

Den Planungen im Wege stand dabei das fast neue Haus des Senators zum Sande, früher Strückerscher Hof. Da sich die ansässige Kaufmannschaft durch den Bahnhof eine weitere Belebung ihres Geschäfts erhoffte, bildete sich unter Leitung des Kaufmanns Bräkel eine Aktiengesellschaft, die den gesamten Besitz des Senators zum Sande aufkaufte und der Stadt den Grund und Boden zur Errichtung der Straße unentgeltlich zur Verfügung stellte. Um die Baukosten niedrig zu halten, kam man auf die Idee, das Haus nicht abzureißen, sondern einfach eine Öffnung in das stattliche Gebäude zu bauen!

Dafür waren umfangreiche Planungen nötig, deren Ergebnis vertraglich festgehalten wurde. Danach sollte die neu anzulegende Straße vom Marktplatz her 32 Fuß breit sein. „Die Durchfahrt durch das gedachte Wohnhaus erhält eine lichte Weite von 16 Fuß mit zwei Trottoirs an jeder Seite von je 4 Fuß 6 Zoll Breite. Die Höhe in der Mittellinie der Durchfahrt beträgt 14 Fuß 6 Zoll.“ Die Straße wurde zu Ehren der Königin Marie von Hannover bei der Einweihung des Bahnhofs 1856 Marienstraße genannt. Das Bogenhaus prägte bis zu seinem Abriss im Jahr 1937 das Bild der Stadt Lingen.

 

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