Archivalie des Monats April

von Dr. Stephan Schwenke

Oranier, Spanier und Preußen haben Einfluss auf das Leben in der Stadt Lingen genommen. Seien es Sitten und Gebräuche oder auch die jeweiligen Baustile. Als König Friedrich I. nach dem Tod Wilhelm III. von England 1702 die Grafschaft Lingen erbte, kamen auch preußische Beamte nach Lingen. Anders als die entweder katholische oder reformierte Bevölkerung, gehörten die Preußen dem evangelisch-lutherischen Glauben an. So kam es, dass sich 1728 eine eigene evangelisch-lutherische Gemeinde gründete, die zunächst unter der Aufsicht der Regierung in Minden, später unter der der Lingener Regierung stand. Von Anfang an stand der Bau einer eigenen Kirche im Vordergrund der Bemühungen. 1732 konnte die Gemeinde dann ein Haus am Schulplatz auf Abbruch erwerben. Der Landesbaumeister Bielitz aus Minden übernahm die Bauplanung. Der Bau kam aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln oft ins Stocken und konnte erst nach vierjähriger Bauzeit beendet werden. Die Finanzen waren ein ständiges Problem.

 

Reparaturkosten müssen Gemeindemitglieder tragen

Für Unterhalt und Reparatur an dem Kirchengebäude war die Gemeinde zuständig. 1831 musste die Wohnung des Pfarrers dringend repariert werden. Die Kosten von 108 Reichstalern waren, laut Verordnung der Königlichen Landdrostei, auf „die Mitglieder der lutherischen Kirchen-Gemeinde“ in Lingen umzulegen. Da sich aber auch in der Landgemeinde noch Mitglieder der lutherischen Gemeinde befanden, sollte sich der Magistrat der Stadt Lingen mit den Vögten in Verbindung setzen, um auch diese Gemeindemitglieder heranziehen zu können. Aus der erstellten Liste geht hervor, dass es in der Stadt Lingen 223 und in den Landgemeinden 33 evangelisch-lutherisch Gemeindemitglieder gab. Die Meisten davon, nämlich 17, lebten in Baccum. Der Rest verteilte sich auf Beversundern (4), Brögbern (5), Brockhausen (3) und Bawinkel (4). Eingetragen wurde aber nur das jeweilige Familienoberhaupt, so dass die tatsächliche Zahl der Gemeindemitglieder sicherlich höher lag.

Die Gemeinde wuchs stetig weiter, so dass Ende des 19. Jahrhunderts der Kirchenbau erweitert werden musste. Aufgrund von Platzmangel verfiel man auf die Idee, die Ausrichtung des Gebäudes zu ändern. Als Querschiff diente nun der vormalige Saal und der Altar wurde in eine Seitennische verlegt. In diese dadurch neu entstehende Achse wurde dem Querschiff ein neuer Saalbau angefügt. Umfangreiche Renovierungsarbeiten wurden 1977 durchgeführt.

Quelle:
Stadtarchiv Lingen, Dep. 29b, Nr. 2163 Reparatur der lutherischen Pfarrwohnung, desgleichen Neubau der Schule und Deckung der Unkosten, 1831-1849.
Baldur Köster: Lingen. Architektur im Wandel von der Festung zur Bürger- und Universitätsstadt bis zur Industrialisierung (bis 1930), Berlin 1988, S. 84f.

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