Archivalie des Monats Mai 2012

von Dr. Stephan Schwenke

Schon in der Frühzeit verwendete man Wind oder Wasser als Energiequellen zum Antrieb von Maschinen. Die Römer betrieben sogenannte Göpel, von Pferden oder Maultieren angetriebene Mühlen, um Körner zu vermahlen. Die älteste Mühle nördlich der Alpen ist die 371 n. Chr. erstmals erwähnte Karlsmühle an der Ruwer bei Trier, die als Gesteinsmühle zum Zerschneiden von Marmorblöcken genutzt wurde.

Mühlen prägten auch das Stadtbild von Lingen. Die ältesten Mühlen in Lingen waren die vor den Toren der Stadt gelegenen Wasser- und Windmühlen. Die Überlieferung der beiden nördlich der Stadt gelegenen Wassermühlen beginnt 1555. Als ein Hochwasser die obere Wassermühle zerstörte, wurde 1557 nordwestlich der Stadt als Ersatz eine Windmühle errichtet, die Ostern 1558 betriebsbereit war. Im gleichen Jahr brannte die Wassermühle ab, wurde aber von Grund auf neu errichtet. In der Folgezeit wurde die Wassermühle von stetig wechselnden Pächtern betrieben. Der Pachtpreis bewegte sich im 17. Jahrhundert zwischen 400 und 550 Gulden. Aufgrund der widrigen Umstände, wie Hoch- und Niedrigwasser, Dammbrüche oder Eisgang im Winter, die alle langwierige Reparaturarbeiten nach sich zogen, wurde die Pacht nur selten voll bezahlt. Im niederländisch-spanischen Krieg wurde die Wassermühle zerstört, auf Anweisung des Rentmeisters aber wieder aufgebaut. Klagen über zu viel oder zu wenig Wasser hielten in den Folgezeiten an. 1690 konnte die Wassermühle aufgrund großer Trockenheit ein ¾ Jahr nicht betrieben werden, so dass die Müllersöhne gezwungen waren, ihren Lebensunterhalt durch Zimmerarbeiten zu verdienen. Um 1800 gelangte die Mühle in den Besitz der Familie Schnebeck, die sie in Erbpacht betreiben. 1856 verkaufte man die Mühle für 4351 Taler 3 Groschen und 8 Pfennig dann an den Colon Johann Heinrich Böhmer, der auf dem Böhmerhof wohnte. Dieser löste 1874 die Erbpacht ab und wurde dadurch Eigentümer. Im Zuge des Baues der Umgehungsstraße 1977 wurde die Wassermühle abgebrochen.

Windmühle wurde von oranischen Truppen zerstört

Die Windmühle hatte mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Die hohen Betriebskosten, wie etwa das Herrichten der Flügel und andere Ausbesserungsarbeiten an den Werken, machten sie unattraktiv für Pächter, sodass sie in der Anfangszeit vom Rentmeister verwaltet wurde. Ebenso wie die Wassermühle wurde sie von oranischen Truppen 1597 zerstört und erst 4 Jahre später, diesmal auf dem Bollwerk „der spanische Bock“, wieder aufgebaut. Die Anfälligkeit für Reparaturen hielt an. Die Lage „auf dem Bock“ stellte sich aber als ungünstig heraus. Ende des 17. Jahrhunderts kam man zu dem Schluss, dass die Windmühle sehr baufällig war und bei starkem Wind die Gefahr bestand, dass sie einstürzt. Außerdem behinderte der Kirchturm bei Süd- bzw. Südwestwinden die Mühle, sodass man zu dem Entschluss kam, sie beim Kirchhof neu zu errichten. 1800 übernahm, wie die Wassermühle, der Müller Schnebeck auch die Windmühle in Erbpacht. Ihn beerbte der Hofbesitzer Böhmer, der die Mühle 1862 übernahm. Rentabel lief der Mühlbetrieb aber nicht. Ab 1871 verfiel die Windmühle zusehends und wurde schließlich abgebrochen.

Westlich der hölzernen Windmühle ließ 1724 die königliche Verwaltung eine steinerne Windmühle errichten, die zunächst durch den Erbmühlpächter Starke und dann ab 1800 durch den Müller Schnebeck betrieben wurde. Als Schnebeck 1875 in Konkurs ging, wurde die Mühle verkauft. Ihre Reste waren noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts sichtbar.

Die bekannteste Mühle in Lingen war die von der Familie Schlamann 1798 auf der Stadtflur errichtet Windmühle, die mit drei Korngängen und einem Perlgang ausgestattet war. 1813 verkaufte die Familie Schlamann die Mühle für 9010 Gulden an den Müller Heinrich Koke, dessen Familie sie in den nächsten Jahren durchgehend betrieb. 1860 beabsichtigte man, die Mühle mit Dampf zu betreiben, was aber von der Königlichen Landdrostei abgewiesen wurde. Erst nach dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg wurde die Mühle durch Motorkraft angetrieben.

Literatur:
Stadtarchiv Lingen, Dep. 29 b, Nr. 3979, Verpachtung der Mühlen an die Bürger 1749;
Stadtarchiv Lingen, Dep. 29 b, Nr. 3986, Mühlensachen 1789;
Walter Tenfelde, Die Mühlen im ehemaligen Landkreis Lingen, Lingen 1985.

 

Pin It on Pinterest

Share This
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner