Archivalie des Monats Mai 2011
von Dr. Stephan Schwenke
Die Fertigstellung der Eisenbahnstrecke von Osnabrück nach Emden bedeutete für die Stadt Lingen einen wichtigen Einschnitt, war man doch damit an den überregionalen Wirtschaftsverkehr angeschlossen. Der umgebende ländliche Raum aber wurde davon wenig berührt. Auf Bestreben der Gemeinde Berge wurden 1897 erste Planungen zur Realisierung eines eigenen Bahnprojektes begonnen. Die Umsetzung erfolgte aber erst einige Jahre später, als weitere Gemeinden ihr Interesse an dem Projekt bekundet hatten. Am 2. Oktober 1901 wurde die Kleinbahn Lingen – Berge – Quakenbrück GmbH gegründet. Aus Kostengründen entschied man sich für eine Spurweite von 750 mm. Die Baukosten, ca. 1,3 Millionen Mark, übernahm das Land Preußen zu einem Drittel, den Rest teilten sich die an der geplanten Bahnstrecke anliegenden Orte und die Stadt Lingen. Der erste Spatenstich erfolgte 1902, fertig gestellt wurde die Strecke 1904. Über die Eröffnungsfahrt am 31. Mai berichtete der Lingener Volksbote in großen Lettern und endete mit dem Wunsch: „ Mögen die Hoffnungen, welche in die Kleinbahn gesetzt sind, sich im reichsten Maße erfüllen.“
Von Lingen über Berge nach Quakenbrück
Die Länger der Bahn betrug 57,07 Km und führte vom Lingener Kleinbahnhof an der Haselünnerstraße u.a. über Brögbern, Clusorth, Bawinkel, Gersten, Lengerich und Berge nach Quakenbrück. Eine Stichstrecke führte vom Bahnhof zum Neuen Hafen und zu verschiedenen Firmen, die über eigene Gleisanschlüsse verfügten, so u.a. die Firma Papier und Holz an der Meppener Straße. Der Maschinenpark umfasste zu Beginn 4 Lokomotiven, 5 Personenwagen, 2 Post- und Gepäckwagen, 10 bedeckte Güterwagen, 22 offene Güterwagen, 2 Plateauwagen, 1 Langholzwagen und 1 Draisine. Eigene Bahnhofsgebäude existierten in Lingen, Bawinkel, Gersten, Wettrup, Berge, Menslage und Quakenbrück. An den übrigen Haltestationen wurden der Kartenverkauf und die Abfertigung des Güterverkehrs durch Agenten, oftmals den Dorfwirt, abgewickelt. In Brögbern etwas übernahm die Gaststätte Sperver diese Funktion. In Lingen befand sich außerdem die Werkstatt, ein großer Lokschuppen und einen Rollwagengrube zum Wagenaustausch mit der Staatsbahn.
Die Betriebsergebnisse sahen in den ersten Jahren auch annehmbar aus. Im ersten Betriebsjahr beförderte man über 87000 Personen und transportierte 24000 t Güter. Den Personentransport konnte in den folgenden Jahren weiter gesteigert werden, während der Güterverkehr stagnierte. Nach einem Zwischenhoch in den 1930er Jahren musste man nach dem 2. Weltkrieg einsehen, dass die Konkurrenz durch den zunehmenden Kraftverkehr die Rentabilität der Kleinbahn immer mehr einschränkte. Am 31. Mai 1952 wurde der Betrieb nach 48 Jahren eingestellt und die Betriebsanlagen abgerissen. Der Kleinbahnhof musste dem Ausbau des Nordrings weichen, die Dammanlagen fast alle eingeebnet.
In Lingen erinnert nur noch die Straße „Am Kleinbahndamm“ und einige wenige Spuren im Gelände an die Kleinbahn, der Rest ist Geschichte.