Archivalie des Monats Juli
von Dr. Stephan Schwenke
Sommer, Sonne, Sonnenschein. Wer freut sich nach einem langen Winter nicht auf Temperaturen von 20 Grad und mehr. Und sollte das Thermometer weiter steigen, gibt es halt Hitzefrei! Besonders die Schulkinder freuen sich darauf. Doch das war nicht immer so.
Hitzefrei, den Ausfall von Schulunterricht bzw. die Arbeitszeitverkürzung bei hohen Temperaturen gibt es erst seit Ende des 19. Jahrhundert. Irrtümlich wird die Einführung der Befreiung vom Schulunterricht bei großer Hitze auf den Mediziner Adolf Baginsky zurückgeführt, der in Berlin als Kinderarzt tätig war. Seine Lehrmeinung dürfte aber zumindest das Ministerium für geistlichen Unterricht und Ministerial-Angelegenheiten beeinflusst haben, 1892 einen entsprechenden Erlass herauszugeben. Eine Abschrift des Erlasses findet sich auch in den Beständen des Stadtarchivs.
Dort heisst es: „Wenn das hunderttheilige Thermometer um 10 Uhr vormittags im Schatten 25 Grad zeigt, darf der Schulunterricht in keinem Falle über vier aufeinander folgende Stunden ausgedehnt und ebenso wenig darf den Kindern an solchen Tagen ein zweimaliger Gang zur Schule zugemuthet werden.“ Auch bei etwas geringer Temperatur sei eine Kürzung der Schulstunden notwendig, wenn der Klassenraum sehr klein oder die Klassen überfüllt seien. Um den Kindern einen zweiten Schulweg zu ersparen, sollte dies an heißen Tagen unterbleiben. Um den Unterricht nicht völlig ausfallen zu lassen, regte man an, dass Schulen, die „geräumige schattige Spielplätze haben, unter Umständen den lehrmäßigen Unterricht durch Jugendspiele“ unterbrechen können. Die letztliche Entscheidung über Ausfall und Kürzung des Schulunterrichts, darauf wies das Ministerium hin, traf bei größeren Schulen wie z.B. das Gymnasium der Vorsteher der Schule, also der Direktor bzw. Rektor. Bei kleineren Schulen der Ortsschulinspektor oder der Schulvorsteher.
Der Ministerial-Erlass von 1892 hat sich durch die Zeit gerettet, denn einige Bundesländer haben ähnliche Bestimmungen zum Thema Hitzfrei verfasst.