Archivalie des Monats März 2011

von Dr. Stephan Schwenke

Mit und neben der Etablierung einer parlamentarischen Interessenvertretung des katholischen Bevölkerungsteils entwickelte sich insbesondere seit der Revolution von 1848/49 ein vielfältiges katholisches Vereinswesen, das am Vorabend des Ersten Weltkrieges auf dem Höhepunkt seiner Entfaltung stand.

Im Jahr 1862 bildete sich in Lingen ein „Katholischer Gesellen-Verein“, dessen Ziel es war, „die Ausbildung der Gesellen im religiösen und bürgerlichen Leben zu befördern, um sie zu tüchtigen, ehrenwerten Meistern herauszubilden.“ Um diesen Zweck zu erreichen, wurden im regelmäßigen Abstand an den Versammlungsabenden Vorträge der unterschiedlichsten Art, meist belehrenden Inhalts gehalten. Daneben veranstaltete man aber auch Tanz- und Gesangsveranstaltungen und führte in den Sommermonaten Exkursionen in die nähere und weitere Umgebung durch. Politische Veranstaltungen wurden laut Satzung nicht geduldet. Wie sehr der Verein seinem Zwecke entsprach, bezeugen „die vielen angesehenen und ehrenwerthen Handwerksmeister hiesiger Stadt, die ihrer Zeit Mitglieder des Vereins waren und auch jetzt als Ehren-Mitglieder die Versammlungen desselben besuchen.“ Die Mitgliederzahlen variierten zwischen 30 und über 100.

 

40 Pfennige Beitrag für St. Josephs-Krankenkasse

Zur Unterstützung kranker Mitglieder wurde eine eigene Krankenkasse gegründet. Die „St. Josephs-Krankenkasse“ hatte den Zweck „gegenseitiger Unterstützung ihrer Mitglieder für den Fall der Krankheit und durch Krankheit herbeigeführter Erwerbsunfähigkeit, sowie die Gewährung eines Sterbegeldes an die Hinterbliebenen verstorbener Mitglieder.“ Wer der Kasse beitreten wollte, musste als „Eintrittsgeld“ 50 Pfennig zahlen. Der monatliche Beitrag, der am 1. Sonntag im Monat bezahlt werden musste, lag für Lehrlinge bei 40 Pfennigen, für alle anderen Mitglieder bei 60 Pfennigen. Im Krankheitsfall standen dem Erkrankten ab dem 3 Tag nach der Erkrankung Unterstützung in Höhe von 1 Mark 50 Pfennig für Gesellen und 90 Pfennig für Lehrlinge täglich zu, wobei der Sonntag nicht mitgerechnet wurde. Die Zahlungen endeten spätestens mit Ablauf der 13. Krankheitswoche.

Hatte man sich zunächst Im Lokal des Gastwirts Spiegler und später in den Räumen der Gastwirtschaft Böll getroffen, errichtete der katholische Gesellenverein 1907 ein eigenes Vereinsheim mit angeschlossenem Hospiz für durchreisende Handwerkerburschen. Den Giebel dieses repräsentativen Hauses zierte ein Porträt des Vereinsgründers Adolf Kolping. Im 1. Weltkrieg wurde der Saal des Gesellenvereins vom Vaterländischen Frauenverein als Lazarett umgenutzt. 1959 musste das Gebäude dem Erweiterungsbau des Bonifatius-Krankenhauses weichen.

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