Die Bevölkerung Lingens wuchs im 18. Jahrhundert nur geringfügig. Im Jahre 1720 hatte die Stadt 1.721 Einwohner, 1803 gegen Ende der preußischen Zeit wurden 1.775 Bewohner gezählt. Die wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt waren der Durchgangsverkehr und die Universität, Handel und Handwerk sowie in geringerem Umfang auch die Landwirtschaft. 1720 dominierten bei den Gewerben die Weber (39 Haushalte) sowie die Brauer und Gastwirte (23 Haushalte). Der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten nahm zu. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fanden jährlich acht Vieh- und Krammärkte in Lingen statt.

Nach den Napoleonischen Kriegen wurde Lingen 1815 dem Königreich Hannover zugeschlagen. An der stagnierenden Entwicklung der Stadt änderte sich zunächst wenig. Die Universität wurde 1819 aufgehoben; an ihre Stelle trat 1820 ein Humanistisches Gymnasium. Von 1834 – 1837 war Lingen Garnisonstadt. Die neu erbauten, schon bald längere Zeit leerstehenden Kasernen wurden ab 1854 als Frauengefängnis genutzt. Der Ausbau der Chausseen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestätigte zwar Lingens Rolle als Knotenpunkt überregionaler Verkehrswege, brachte jedoch ebenso wenig neue Impulse wie der Bau des hannoverschen Emskanals (1820 – 1829), der Lingen über Meppen mit dem Seehafen Emden verbinden sollte. Ein Zeitgenosse schrieb, daß Lingen eine Kaserne ohne Soldaten und einen Hafen ohne Schiffe habe.

Im konfessionellen Bereich brachte der Übergang an das Königreich Hannover 1822 die Gleichstellung der Katholiken mit den bisher bevorrechtigten Reformierten und Lutheranern. Neben der baufälligen Scheunenkirche entstand 1833 – 1836 nach den Plänen des Architekten Niehaus die neue katholische Stadtpfarrkirche St. Bonifatius. Die Zahl der jüdischen Familien nahm seit Beginn des 19. Jahrhunderts langsam aber stetig zu. 1869 wurde die Synagogengemeinde Lingen errichtet, 1878 die neu erbaute Synagoge eingeweiht.

Der entscheidende Impuls im wirtschaftlichen Bereich war der Anschluß Lingens an das überregionale Eisenbahnnetz im Jahre 1856. Zwar kam der wichtige Eisenbahnknotenpunkt ins benachbarte Rheine, doch erhielt Lingen als Ausgleich eine Eisenbahnwerkstätte. Sie wurde durch mehrfache Erweiterung zum bedeutendsten Industriebetrieb in Lingen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Belegschaft auf über 1.000 Beschäftigte. Zeitweilig lebte jeder dritte Lingener vom Ausbesserungswerk, wie der Betrieb später genannt wurde.

Der wirtschaftliche Aufschwung, den Lingen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte, spiegelt sich deutlich in den Einwohnerzahlen wieder. Während die Bevölkerung der Stadt von 1803 bis 1848 lediglich auf 2.736 Einwohner wuchs, waren es im Jahre 1900 bereits 7.048 Einwohner. 1920 hatte Lingen 11.000 Einwohner.

Der von externen Faktoren ausgelöste Wachstumsschub führte zu tiefgreifenden Veränderungen der Gestalt und Infrastruktur der Stadt. Neue Schulen mußten gebaut, soziale Einrichtungen geschaffen werden (1855 Gründung und 1891 Erweiterung des Bonifatius-Hospitals). Für die Stadtverwaltung wurde 1873 am Marktplatz ein neues Dienstgebäude angekauft, die ersten öffentlichen Versorgungseinrichtungen entstanden (1861 Gaswerk, 1891 Beginn der Kanalisation, 1892 Städtischer Schlachthof, 1908 Wasserwerk). Die Wohnbebauung, die sich bislang überwiegend auf den Bereich innerhalb des alten Stadtgrabens beschränkt hatte, griff längs der Ausfallstraßen und östlich der Stadt weit in das Umland hinein.

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