hat noch eine zweite, sprichwörtliche Bedeutung
von Dr. Andreas Eiynck
Pfingsten verbinden die meisten Lingener nicht nur mit einem hohen kirchlichen Feiertag, sondern auch mit dem Bürgerschützenfest und dem seit 1372 regelmäßig zu Pfingsten gefeierten Bürgersöhne-Aufzug zum Kivelingsfest. Noch ein weiterer Begriff, der mit Pfingsten zu tun hat, ist in Lingen allgemein bekannt: der Pfingstochse. Er erinnert an den bis ins 19. Jahrhundert weit verbreiteten Brauch, zu Pfingsten einen geschmückten Ochsen durch das Dorf zu treiben. Er wurde mit Blumen, Stroh und Kränzen geschmückt und in einem feierlichen Zug durch die Gassen geführt, um dann letztlich als Schlachtvieh für das festliche Pfingstessen zu enden.
Im Stadtbild ganz besonders sichtbar war dies in Lingen, denn hier entstand 1892 am sogenannten Gasthausdamm unmittelbar am Rande der Innenstadt auf dem Gelände der früheren städtischen Kuhweide ein kommunaler Schlachthof. Während Schweine damals meistens noch vor Ort von einem fachkundigen Hausschlachter getötet und zerlegt wurden, galt für Rinder und Pferde schon ein sogenannter Schlachtzwang in einem hygienisch besonders ausgestatteten Schlachthaus. Die Gebühr dafür betrug in Lingen seinerzeit für einen Ochsen oder einen ausgewachsenen Stier 4 Mark und für eine Kuh 3 Mark, für ein Schwein 1,75 Mark. Gekühlt wurde das Schlachthaus mit Eisblöcken aus dem Dortmund-Ems-Kanal, die in Winter in einen Eiskeller eingelagert und den Sommer über verbraucht wurden.
Der Weg zum früheren Schlachthof, dieser dient seit einem Umbau heute als Jugendzentrum „Alter Schlachthof“, führte einst durch die Straßen der Altstadt, denn die heutige Ringstraße um die Innenstadt herum gab es früher noch nicht. Gerade zu Pfingsten dürfte so mancher Ochse oder Stier seine letzte Runde über den Lingener Marktplatz gedreht haben, denn dort befand sich direkt vor dem historischen Rathaus die öffentliche Viehwaage. Stellte der Besitzer eines Tieres vor der Übergabe an den Schlachthof ein überraschend hohes Schlachtgewicht fest, so konnte man gleich in einer der vielen benachbarten Gaststätten einen darauf anstoßen. Der Pfingstochse hat aber noch eine zweite, sprichwörtliche Bedeutung. Damit meint man einen zumeist etwas einfältigen Menschen, der sich zu einem festlichen Ereignis vom Scheitel bis zur Sohle ungewohnt uns bisweilen etwas übertrieben fein gemacht hat, eben herausgeputzt wie ein Pfingstochse. Ob dabei eventuell ein Zusammenhang zum Bürgerschützen- und Kivelingsfest besteht, konnten die Forscher bislang noch nicht herausbekommen.
Abb.1: Auf der Viehwaage vor dem Alten Rathaus
Abb.2: Vorfreude auf Pfingsten am Schlachthof Lingen (Foto um 1910)
Abb.3: Pfingstochse auf dem Schlachthof (Foto um 1910)